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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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dieser Fall, dass die Mafia mit dem Wachsen der italienischen Wirtschaft Schritt hielt. Der Handel wurde zu einem der wichtigsten Motoren der Mafiageschichte.
     
    Pasquale Simonetti war ein solcher Obst- und Gemüsehändler. Der 31 -Jährige war zwei Meter groß, gebaut wie ein Schwergewichtler und mit entsprechender Physiognomie ausgestattet: Eine wulstige Nase (ob natürlich oder gebrochen, ließ sich schwer sagen) drückte seine kleinen, kalten Augen weit auseinander; der kantige, vierschrötige Schädel saß auf einem Hals, der den redlichen Bemühungen des Schneiders, ihn in einen Hemdkragen zu zwingen, erfolgreich trotzte. Die Leute nannten ihn einfallslos Pascalone ’e Nola – »Großer Pasquale aus Nola« (Nola war ein Marktflecken nicht weit von Neapel).
    Am Morgen des 16 . Juli 1955 fing sich Pascalone, der gerade eine Orange schälte, die er eben an einem Stand gekauft hatte, zwei Schüsse ein. Der Schütze, ein blonder junger Mann im schiefergrauen Anzug, flüchtete unbehelligt. Das Opfer, von den Kumpanen blutend im Rinnstein liegen gelassen, starb in der Morgendämmerung des darauffolgenden Tages im Krankenhaus. Die Polizei schaffte seine Leiche schnurstracks in die Leichenhalle, um sich den hässlichen Trauerzug der kriminellen Bruderschaft vom Lande zu ersparen.
    Zunächst schien niemand Pasquale Simonettis Tod mit dem einträglichen Obst- und Gemüsehandel in Verbindung zu bringen. Die traditionelle neapolitanische Zurückhaltung im Zusammenhang mit Ganovengeschichten bestand nach wie vor. Pasquales Personenbeschreibung, die seiner Ermordung folgte, schaffte es nur in den Lokalteil der regionalen Tageszeitungen. Neben seiner Tätigkeit als Händler mit kampanischen Agrarerzeugnissen war Pascalone der Presse vor Ort bereits als Schmuggler und Erpresser bekannt. Einige seiner Taten waren ebenso spektakulär wie seine Erschießung. 1951 hatte er unweit des Eingangs zum Bahnhof mit einem in Zeitungspapier gewickelten Schraubenschlüssel einen Mann niedergeschlagen; das Opfer erzählte der Polizei, es habe nichts gesehen. Dann kam es im Stadtzentrum von Giugliano zu der Schießerei, die ihm eine Haftstrafe im Gefängnis von Poggioreale einbrachte, wo er zum Boss seines Flügels avancierte. Kurzum, Pascalone schien der typische Dorfschläger zu sein, und was in der Provinz vor sich ging, kümmerte niemanden. Wäre er bei sich zu Hause umgebracht worden anstatt im Zentrum von Neapel, dann hätte man dem Ereignis allenfalls ein paar Zeilen gewidmet.
    Nun war die Nachricht von Pasquales Tod einigen Journalisten Anlass genug, sie mit menschlichem Interesse auszukleiden. Es ging das Gerücht, er sei ehrlich geworden, bevor er starb. Den Grund für diesen unwahrscheinlichen Sinneswandel sah man in seiner jungen Frau, einer Kleinstadtschönheit mit breiten Hüften aus Castellammare di Stabia. Während Pascalone im Gefängnis saß, hatte sie ihm täglich geschrieben, ihm versprochen, sie werde ihn »vom steilen, beschwerlichen Pfad der Sünde« fernhalten, und ihn mit ihren Jungmädchenträumen überschüttet: »Ich bin sehr gerührt und auch ein wenig ängstlich, wenn ich daran denke, dass mein lieber Tarzan mich forttragen wird, weit fort von diesem hässlichen Ort, um in einem verwunschenen Märchenschloss mit mir zu leben.« Assunta Maresca, Pasquales junge Witwe, wurde von ihrer Familie Pupetta (Püppchen) genannt. Sie erwartete ein Kind, als ihr Mann starb.
    Am 4 . Oktober 1955 , zweieinhalb Monate nach dem Mord an ihrem Tarzan, ließ sich eine sichtlich schwangere Pupetta von Castellammare zum Großmarkt von Neapel fahren. Unterwegs ließ sie anhalten, um Blumen auf Pasquales Grab zu legen. Auf dem Corso Novara, nur wenige Meter von der Stelle, an der ihr Mann zusammengebrochen war, begegnete sie einem weiteren Prototypen des Obst- und Gemüsehändlers: Antonio Esposito alias
Totonno ’e Pomigliano
, »der große Toni aus Pomigliano«. Es folgte wohl ein heftiger Streit, in dessen Verlauf sich Pupettas Fahrer aus dem Staub machte. Dann begann die Schießerei. Pupettas Fiat 1100 wurde mehrere Male getroffen, wobei ein Projektil den Sitz durchschlug, den der Fahrer kurz zuvor verlassen hatte. Pupetta, die vom Rücksitz aus mit einer Beretta 7 . 65 feuerte, die Pascalone ihr gegeben hatte, blieb unverletzt. Sie flüchtete zu Fuß. Ihr Opfer jedoch, Totonno, fing sich fünf tödliche Schüsse ein.
    »Verwitwete schwangere Schönheit in Bandenkrieg verwickelt«, lautete die Schlagzeile, die die

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