Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

New Jersey, ausgewandert. Ein zweiter war Salvatore Inzerillo: Er war der Neffe eines Palermer Bosses. Wie die Mitglieder des Cuntrera-Caruana-Clans hatten diese Gangster viele exotische Stempelabdrücke in ihren Pässen und einen internationalen Schwarm Familienangehöriger, die einen blutsverwandt, die anderen angeheiratet, der sie unterstützte. Solche Mitglieder des Transatlantischen Syndikats trugen die Verantwortung für die sogenannte
Pizza Connection
. Der Begriff wurde von der Polizei geprägt, die Mitte der achtziger Jahre im Zuge ihrer Ermittlungen in den USA schließlich einen kleinen Teil des Transatlantischen Syndikats aus dem Verkehr ziehen konnte.
    Die Mitglieder des Transatlantischen Syndikats waren beängstigend mächtig, und sie arbeiteten auch zusammen. Bereits 1971 nahm der venezolanische Geheimdienst die Ranch des Cuntrera-Caruana-Clans unter die Lupe und fand heraus, dass folgende Personen zu ihren Teilhabern gehörten: Nick Rizzuto, der Mann in Montreal für die Cuntrera-Caruanas (nach dem Mord an Paolo Violi würde er in Quebec die Zügel übernehmen); John Gambino aus Cherry Hills; und Salvatore »Kleiner Vogel« Greco, der zum Zeitpunkt des Bombenanschlags in Ciaculli Oberhaupt der Palermer Kommission gewesen war und Sizilien verlassen hatte, um von Südamerika aus mit Drogen zu handeln.
    Das Transatlantische Syndikat hatte die Schlüssel zum Heroinmarkt der USA : Jeder, der en gros Drogen an die Ostküste liefern wollte, kam schwer an ihnen vorbei. Unser sizilianischer Zwischenhändler, Gaspare »Mister Champagne« Mutolo, wusste dies aus Erfahrung. 1981 lieferte das erste seiner Schiffe 400  Kilo raffiniertes Heroin aus Thailand: Die Hälfte davon ging an die Cuntrera-Caruanas, die andere Hälfte an John Gambino in Cherry Hills.
     
    In Sizilien hatte das Transatlantische Syndikat noch mehr Einfluss als in Kanada oder den Vereinigten Staaten. Eines seiner Mitglieder, Salvatore Inzerillo, kehrte 1973 nach Palermo zurück, und sein Onkel übertrug ihm sofort sein Amt als Repräsentant der Passo di Rigano-Familie und überließ ihm seinen Sitz in der Kommission. Weitere Bosse, die dem Transatlantischen Syndikat angehörten, waren die Triumviratsmitglieder Tano Badalamenti und Stefano Bontate.
    Das Transatlantische Syndikat erfreute sich bester Kontakte zur Welt der Cosa Nostra in den Banken. Einige Einkünfte aus dem Drogenhandel wurden von den anrüchigen Bankiers Michele Sindona und Roberto Calvi gewaschen und investiert. Sowohl Sindona als auch Calvi kamen unter bis heute ungeklärten Umständen ums Leben: Calvi wurde 1982 erhängt unter der Blackfriars Bridge in London aufgefunden, und Sindona trank 1986 im Gefängnis einen mit Zyanid vergifteten Kaffee.
    Das Transatlantische Syndikat hatte auch in der Geschäftswelt und der Politik enorme Zugkraft. Seine Mitglieder standen den Salvo-Vettern nahe, sagenhaft reichen Baronen in Siziliens privatisiertem Steuereintreibungssystem. Auch mit Salvo Lima waren sie befreundet, dem »jungen Türken«. Über Lima und die Salvo-Vettern war ihnen die Aufmerksamkeit des mächtigsten Politikers in Italien gewiss: Giulio Andreotti, der insgesamt siebenmal Premierminister geworden war in seiner parlamentarischen Laufbahn. Zu seinem Lager innerhalb der
Democrazia Cristiana
zählten Lima und auch dessen sizilianische Gefolgsleute. Laut Aussage des Obersten Gerichtshofs in einem Urteil aus dem Jahr 2004 bezeigte Andreotti dem Mafioso Stefano Bontate und seinen Leuten bis 1980 , als die wachsende Gewalttätigkeit der Cosa Nostra ihn allmählich befremdete, »eine zuverlässige, stabile und freundliche Verfügbarkeit«.
    Was Macht und Reichtum anbelangte, konnte sich die sizilianische Mafia niemals in ihrer langen Geschichte mit dem Transatlantischen Syndikat messen. Deshalb wurde das Transatlantische Syndikat 1981 zum Ziel eines Vernichtungskrieges.
    Doch bevor es auf Sizilien erneut zu einem Krieg kam, wurde die Camorra in Kampanien durch den einflussreichsten Boss des 20 . Jahrhunderts revolutioniert.
    Der »Professor«
    Raffaele Cutolo schuf die wohl größte kriminelle Organisation in der italienischen Geschichte, die
Nuova Camorra Organizzata
. Zu ihrer Glanzzeit 1980 zählte die
Nuova Camorra Organizzata
(oder NCO ) nach Schätzung der Polizei 7000  Mitglieder. Ihr Anführer entging der gerechten Strafe mit einer Regelmäßigkeit, die sogar für italienische Verhältnisse schockierend war. Seine Spezialität bestand darin, sich psychiatrische