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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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Calderone – der örtliche Cosa Nostra-Boss und der Mann, der 1975 als Mitglied der Kommission das Entführungsverbot angeregt hatte – von seinem Stellvertreter erschossen, einem weiteren heimlichen Mitglied des wachsenden Corleoneser Bündnisses. Bei dem Bankett, das Calderones Männer zu Ehren ihres toten Bosses veranstalteten, hatte Riina die Stirn, eine Rede zu halten. Er rühmte den toten
capo
als Friedensstifter in bester Mafiatradition. Viele der anwesenden Gangster waren zu Tränen gerührt.
    1979 hatten die Corleoneser bereits eine klare Mehrheit innerhalb der Palermer Kommission. Bezeichnenderweise waren sie im Begriff, sogar zum engsten Kreis ihrer Feinde vorzudringen. Ein Ehrenmann aus Stefanos eigenem Clan, der Santa Maria di Gesù-Familie, sei der Maßstab, wie weit mittlerweile der Einfluss der Corleoneser reichte. Er war Anwalt und ein wichtiger Drogendealer, dem die überheblichen Manieren seines Bosses missfielen, und bei Totò Riinas Freunden fand er ein offenes Ohr für seine Beschwerden. Sein Name lautete Giovanni Bontate. Er war der jüngere Bruder des Bosses.
    Gerissene Ausbeutung der Regeln und Konventionen der Mafia, gezielte Beleidigungen, Zusammenschlüsse und Verrat: Sämtliche Inhaltsstoffe im wohlüberlegten Vormarsch der Corleoneser auf die Zentren der Gangstermacht in Sizilien finden sich im Archiv der Mafiageschichte, die bis ins 19 . Jahrhundert zurückreicht. So gesehen waren die Ereignisse der späten 1970 er und frühen 1980 er Jahre nichts Neues. Dennoch gab es zumindest zwei Neuheiten. Die erste war die Höhe der Belohnung, welche die Sieger erwartete. Sobald Sizilien eingenommen wäre, bliebe den Amerikanern keine Wahl, als mit dem »Kurzen« Riina ins Geschäft zu kommen. Die Heroinpipeline würde durch Corleone führen. Die andere Neuheit an Riinas Aufstieg an die Spitze war die unerbittliche Grausamkeit, mit der er seine Pläne umsetzte, die schiere Brutalität des zweiten Mafiakrieges auf Sizilien.
     
    Am Abend des 23 . April 1981 fuhr Stefano Bontate, gut gekleidet wie immer, in seinem brandneuen limitierten Sondermodell eines Alfa Romeo Giulietta Super durch den Regen und den gewohnt hektischen Verkehr auf der Palermer Ringstraße. Er hatte den ganzen Abend Champagner geschlürft auf seiner eigenen Party anlässlich seines 42 . Geburtstags und war auf dem Weg nach Hause. Als er in eine Nebenstraße einbog, brachten ihn Schüsse aus einer abgesägten Schrotflinte und einer Kalaschnikow zur Strecke.
    Zweieinhalb Wochen später fand man ein weiteres Kalaschnikow-Opfer. Es lag neben der Einfahrt zu einem großen Wohnblock in der Via Brunelleschi. Der Kopf war von Projektilen so zugerichtet, dass die Polizei fünf Stunden brauchte, um anhand der Fingerabdrücke und eines blutgetränkten Medaillons mit eingravierten Initialen eine Identifizierung vorzunehmen: Es handelte sich um Salvatore Inzerillo, den Boss von Passo di Rigano, dessen Name erst kurz zuvor im Zusammenhang mit einer größeren Ermittlung gegen Heroinschmuggler in den Zeitungen aufgetaucht war.
    Die öffentliche Meinung in Italien brauchte eine Weile, um sich der Tatsache bewusst zu werden, dass dies mehr war als der übliche saisonale Ausbruch von Gewalt im Gangstermilieu. Im Norden zog der Tod Salvatore Inzerillos etwa genauso viel Medienaufmerksamkeit auf sich wie ein halbwegs schwerer Autounfall in Mailand oder Turin. Doch nach weiteren Mordfällen in Palermo suchte man allmählich nach Erklärungen. Offenbar hatte die Sache etwas mit Heroin zu tun. Was sonst ergäbe wohl einen Sinn.
    Sämtliche alten journalistischen Schablonen für Mafiagewalt wurden angewendet und verworfen. Ging es um Vergeltung? Vielleicht führte der Bontate-Clan gegen die Inzerillos Krieg? Doch dann stellte sich heraus, dass beide Bosse mit derselben Kalaschnikow getötet worden waren.
    Eine andere Theorie – eine sehr alte – ging davon aus, dass es sich um einen Generationenkonflikt handelte, dass eine junge Mafia, »um die vierzig«, es auf die Macht der »alten« abgesehen hatte. Die Tatsache, dass Bontate 42 war, als er starb, und Salvatore Inzerillo erst 37 , war mit dieser Interpretation nicht leicht in Einklang zu bringen.
    Manche Erklärungen schossen so sehr am Ziel vorbei, dass sie fast zum Lachen waren – oder zum Weinen, je nachdem, welchen Standpunkt man einnahm. In einem Interview der
New York Times
behauptete Alberto Moravia, dass »der Sizilianer als solcher – auch der ehrbare – tief im Inneren ein

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