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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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Karriere an der Mailänder Börse mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geriet. In einem Interview, das auf seine Anweisung hin erst nach seinem Tod veröffentlicht werden durfte, lieferte er Insiderinformationen über Italiens Finanzbourgeoisie, die er in drei Lager aufteilte. Das erste war »halbsauber«, das zweite »skrupellos«, das dritte die sizilianische Mafia.

5 MÄRTYRER UND BUSSFERTIGE
    Mafiaterror
    In den 1980 er Jahren gelangten die Mafias zu größerem Reichtum und furchteinflößenderer Macht als zu jeder anderen Zeit in ihrer langen Existenz. Zudem waren sie so weit verbreitet und mit dem Staatsapparat so eng verflochten wie nie. Die Geschichte der Menschen, die sich ihnen in den Weg stellten, ist das tragischste und erschütterndste Kapitel seit Bestehen der Italienischen Republik. Die größten Dramen spielten sich in der Heimat der nach wie vor gefährlichsten aller Mafias ab, der Cosa Nostra. Die achtziger Jahre waren ein ungewöhnlich langes Jahrzehnt für Sizilien. Die Insel hatte in puncto organisierter Kriminalität lange Zeit den Takt vorgegeben. Jetzt sollte sie auch bei deren Bekämpfung mit gutem Beispiel vorangehen.
    Die nun folgende Geschichte wurde von Ermittlern rekonstruiert – sie standen im Zentrum des Geschehens. Auch Journalisten trugen einiges zur Aufklärung bei: Viele empfanden es geradezu als ihre heilige Pflicht zu begreifen, was in den 1980 er Jahren mit erschreckender Geschwindigkeit um sie herum geschah. Seit dieser schrecklichen Zeit wurden die Ereignisse immer und immer wieder erzählt. Die Geschichte ist allgegenwärtig, in den Denkmälern für die Gefallenen, in Straßennamen und Gedenktafeln und in den alljährlichen Feierlichkeiten, die an Mafiaverbrechen erinnern. Sie ist in den berühmten Videoclips und Fotos zu finden, die zu Ikonen des kollektiven Gedächtnisses geworden sind. Ihre Macht über unser aller Vorstellungskraft ist kein Geheimnis: Schließlich prallt hier das Gute auf das Böse. Doch nimmt es nicht wunder, wenn sie wie alle großen Geschichten zuweilen ihre wahre Bedeutung einbüßt, wenn Gleichgültigkeit sie zum bloßen Ritual aushöhlt, wenn sie zur Farce verkommt durch das zynische Lippenbekenntnis von Politikern oder die billigen Konventionen der Dramatisierung durch die Medien. Dennoch sind die Wahrheiten in dieser Geschichte noch heute viel zu wichtig, um nicht kontrovers diskutiert zu werden; ihre bleibenden Geheimnisse sorgen nach wie vor für Schlagzeilen.
    Die Menschen, die während Siziliens längstem Jahrzehnt im Kampf gegen die Cosa Nostra starben, waren Märtyrer. Das Wort mag schwülstig klingen. Für die Menschen westlicher Demokratien, die das Glück haben, die Mafia allenfalls aus Filmen zu kennen, passt es heutzutage höchstens in das Denkmuster religiöser Fanatiker. Im italienischen Kontext jedoch ist es das einzig richtige Wort. Die Märtyrer des Kampfes gegen die Macht der Mafia starben für ein wertvolles Gut, für etwas, das in anderen europäischen Ländern banal erscheinen könnte: die Rechtsstaatlichkeit. Sie inspirierten andere, ihrem Beispiel zu folgen. Durch sie fanden viele junge Menschen ihre Berufung in Polizei oder Justiz – oder schlicht in der Weigerung, sich mit dem Mafiasystem in ihrem Alltag abzufinden.
    Die Opfer, die im Kampf gegen die Mafia erbracht worden sind, haben auch die Geschichte verändert. Was in Sizilien geschah, zerstörte die hartnäckigen Denkmuster, die seit der Einigung Italiens im Jahre 1861 Bestand hatten. Der wichtigste Fortschritt bestand darin, die Mafia zu begreifen. Um der Cosa Nostra den Kampf anzusagen, galt es vor allem herauszufinden, was sie eigentlich war. In den siebziger Jahren wusste das niemand so genau, weil man Beweismittel über 100  Jahre lang vertuscht, vernachlässigt oder vergessen hatte. Italien wusste nicht einmal, dass die sizilianische Mafia von ihren Mitgliedern Cosa Nostra genannt wurde. Die meistgelesene akademische Studie über die Mafia war damals von einem deutschen Soziologen verfasst und 1973 ins Italienische übersetzt worden. Trotz der scharfsinnigen Einblicke in die gesellschaftliche Struktur Siziliens, die der Autor bot, äußerte er sich der Annahme gegenüber, dass die Mafia eine Geheimgesellschaft sein könnte, geringschätzig: Nur »sensationsgierige Journalisten, verwirrte norditalienische Juristen und ausländische Autoren« würden diesen Fehler begehen. Es gebe natürlich Mafiosi auf Sizilien – Mittelsmänner, Beschützer, Ganoven. Doch sie

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