Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)
Einrichtungen aus, in denen Leute wie Mario Francese, Michele Reina, Giorgio Ambrosoli, Boris Giuliano und Cesare Terranova tätig waren. Aus diesem Grund bedurfte, wer sich der Cosa Nostra entgegenstellte, eines besonderen Heldenmutes.
Im darauffolgenden Jahr, 1980 , wurde der Angriff fortgesetzt: Wieder gab es prominente Leichen – und neue Helden.
Am 6 . Januar wurde Piersanti Mattarella, das christdemokratische Oberhaupt der sizilianischen Landesregierung – in anderen Worten der wichtigste Politiker auf der Insel – hingerichtet, als er gerade in seinen Wagen stieg, um mit seiner Frau und seinem Sohn zur Kirche zu fahren. Mattarella hatte gegen die Art und Weise protestiert, wie Regierungsaufträge vergeben wurden. Seine Frau sah, wie der Killer sich dem Wagen näherte, und flehte ihn an, er möge nicht schießen.
Emanuele Basile war ein junger Hauptmann, der die Carabinieri in Monreale kommandierte, einer Stadt auf dem Hügel oberhalb der Conca d’Oro. In der Nacht, in der er getötet wurde, dem 4 . Mai, waren die Straßen voller Menschen, hell erleuchtet und mit dem Nougatduft erfüllt, der den Straßenständen entströmte: Es war das Fest des Heiligen Kreuzes. Basile, der zu dem Zeitpunkt seine vierjährige Tochter Barbara in den Armen hielt, bahnte sich den Weg durch die Menge nach Hause, als hinter ihm zwei Mörder auftauchten. Die Hand seiner kleinen Tochter wurde im Mündungsfeuer verbrannt; wie durch ein Wunder blieb das Kind ansonsten unversehrt. Basile konnte seiner Frau nur noch »hilf mir« zuhauchen, ehe er das Bewusstsein verlor. Er starb wenige Stunden später auf dem Operationstisch.
Basile ermittelte gegen die Corleoneser und betrieb auch Nachforschungen zum Drogenhandel mit den USA . Der Richter, der eng mit ihm zusammenarbeitete – ein geselliger, kettenrauchender Palermitaner mit nach hinten gegeltem Haar und einem adretten, schräg abfallenden Schnurrbart –, hieß Paolo Borsellino. Borsellino war am Boden zerstört, als man ihn anrief, um ihm die Nachricht vom Tod seines Freundes Basile mitzuteilen. Er war 40 , und es war das erste Mal, dass seine Frau ihn weinen sah. Der Mord war nicht nur eine Tragödie, sondern auch eine Botschaft – eine Warnung, die an Borsellino selbst gerichtet war. Doch angesichts der Trauer und Furcht und der Kriegserklärung der sizilianischen Mafia reagierte Borsellino mit Entschlossenheit. Wie seine Frau sich später erinnern würde: »Basiles Ermordung brachte es an den Tag: Ich hatte einen Mann geheiratet, der aus Stein gemeißelt war.« Ihr Mann stürzte sich in seine Arbeit. In den folgenden Tagen wurde ihm als erstem Palermer Richter in der Ära der sogenannten
cadaveri eccellenti
, der prominenten Leichen, eine bewaffnete Eskorte an die Seite gestellt. Paolo Borsellino sollte einer der beiden großen Champions im Kampf gegen die Cosa Nostra werden.
Drei Monate nach dem Mord an Basile, am 6 . August 1980 , wurde Gaetano Costa, der besonnene Oberstaatsanwalt von Palermo, durch mehrere Schüsse ins Gesicht getötet. Der Killer hatte die Pistole in einer zusammengerollten Zeitung versteckt. Costa verblutete neben einem Bücherstand in der Straße gegenüber dem Teatro Massimo, einem der berühmtesten Wahrzeichen Palermos. Der ehemalige Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten hatte unlängst gegen die größten Heroinschmuggler der Cosa Nostra Haftbefehl erteilt.
Wie es das Schicksal wollte, war der Ermittlungsrichter, der mit dem Fall betraut wurde, ein Freund Paolo Borsellinos aus Kindertagen, der sich ebenfalls gerade daran gewöhnen musste, in ständiger Gesellschaft bewaffneter Polizisten in kugelsicheren Westen zu leben. Sein Name war Giovanni Falcone. Falcones großes, freundliches Gesicht verbarg die Tatsache, dass er weitaus weniger gesellig war als Borsellino. Doch auch er war ein Mann mit granithartem Mut und einem unersättlichen Hunger auf schwere Arbeit. Seine gewissenhafte und brillante Untersuchung der Finanzen des Heroinschmuggels hatte bereits zum ersten Mal die geschäftlichen Verbindungen der sizilianischen Mafia mit neapolitanischen Camorristi zutage gefördert. Falcone war auch dem heimtückischen Widerstand begegnet, den einige seiner Kollegen gegen jeden an den Tag legten, der zu fleißig war. Sein direkter Vorgesetzter war von einem anderen Richter mit deutlichen Worten gewarnt worden, dass Falcone die »Wirtschaft in Palermo ruiniere« und dass er mit gewöhnlichen Fällen zugeschüttet werden solle, um
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