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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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doch die Mafia in ihrer Geschichte jeden besiegt hatte, der sie bekämpfen sollte?
    »Ich bin ziemlich optimistisch – sofern das Sondermandat, mit dem man mich nach Sizilien geschickt hat, möglichst bald bestätigt wird. Ich vertraue meiner eigenen Professionalität (…) Und eines habe ich mittlerweile verstanden. Etwas sehr Simples, etwas, das vielleicht entscheidend ist. Die meisten Dinge, die die Mafia ›beschützt‹, die meisten Privilegien, die sie Bürger teuer bezahlen lässt, sind nichts anderes als elementare Rechte.«
    Am Abend des 3 . September 1982 , um zehn nach neun, hörte Nando Dalla Chiesa, der Sohn des Generals, der Universitätsdozent war, im Radio Musik, als das Telefon klingelte. »Ein normales Klingeln«, erinnerte er sich später. Es war sein Cousin, der ihm sagte, er müsse jetzt sehr stark sein. »Was wir immer befürchtet haben, ist geschehen.«
    In der Via Carini in Palermo lagen General Carlo Alberto Dalla Chiesa, seine ihm vor kurzem angetraute Ehefrau und sein Leibwächter, entstellt vom Kalaschnikow-Feuer der sizilianischen Mafia. Jemand hatte ein provisorisches Plakat neben ihnen angebracht: »Hier starb die Hoffnung aller ehrlichen Sizilianer.«
    In Dalla Chiesas Wohnung innerhalb der Präfektur war der Tresor des Generals aufgebrochen und ausgeraubt worden.
     
    Selbst im Italien der 1980 er Jahre konnte Scham politische Konsequenzen haben. Binnen weniger Tage nach der Ermordung Dalla Chiesas beschlossen beide Kammern des italienischen Parlaments in einem Eilverfahren die Verabschiedung des Antimafia-Gesetzes, für das Pio La Torre gekämpft hatte: das bekannte Rognoni-La Torre-Gesetz.
    122  Jahre waren seit der Einigung Italiens vergangen, Jahre, in denen die Gewalttätigkeit des organisierten Verbrechens ein konstantes Merkmal der Landesgeschichte gewesen war. Die Methoden der Mafias – mittels Einschüchterung und Omertà Staat und Wirtschaft zu unterwandern – waren der Polizei durchweg vertraut gewesen. Doch erst jetzt hatte Italien ein Gesetz verabschiedet, das auf diese Methoden zugeschnitten war. Die Verzögerung war gewaltig, der Blutzoll entsetzlich gewesen. Nichtsdestoweniger hatte Italien endlich seinen
RICO
-
Act
.
    Das Rognoni-La Torre-Gesetz hatte seine Grenzen. Es wandte sich ausdrücklich »gegen die Camorra und andere Vereinigungen, wie auch immer sie vor Ort genannt werden, deren Ziele denjenigen mafioser Verbindungen entsprechen«. Die ’Ndrangheta war typischerweise keiner Erwähnung für würdig befunden worden. Noch wesentlicher war, dass nach dem Massaker in der Via Carini keine Maßnahmen getroffen wurden, um den Einsatz von Mafiakronzeugen zu regeln. Dalla Chiesa hatte den Terror der Roten Brigaden bekämpft, indem er Kronzeugen mit Strafverkürzung geködert hatte. Er hatte vorgeschlagen, dass man Mafiosi mit denselben Ködern lockte. Doch aus gutem beziehungsweise schlechtem Grund blieb Italiens politische Klasse bei ihren Vorbehalten gegen die Reuigen, aus Angst, sie könnten Unliebsames ausplaudern. Falls das blutige Bacchanal innerhalb der Welt des organisierten Verbrechens jemals Reuige hervorbrächte und falls Polizei und Justiz sich ihrer Aussagen bedienen wollten, um das Rognoni-La Torre-Gesetz zu testen, dann müssten sie improvisieren.
     
    Wie aufs Stichwort meldete sich kaum einen Monat nachdem das Rognoni-La Torre-Gesetz in die Gesetzessammlung aufgenommen worden war, der erste Kronzeuge. Jedoch nicht aus Palermo, sondern aus Neapel.
    Pasquale Barra, das »Tier«, war das erste eingeweihte Mitglied der
Nuova Camorra Organizzata
gewesen, ihr stellvertretendes Oberhaupt, und der Oberhofhenker im italienischen Gefängnissystem. Er war seit seiner Kindheit mit NCO -Boss Raffaele Cutolo befreundet gewesen, und der »Professor« hatte seiner Geschicklichkeit beim Messerkampf ein Gedicht gewidmet. Im August 1981 hatte das »Tier« auf Befehl des »Professors« noch einen Insassen ermordet, einen Mailänder Gangster. Das Opfer wies 60  Messerstiche auf.
    Zufällig war der fragliche Gangster ausgerechnet der uneheliche Sohn des in Amerika lebenden sizilianischen Ehrenmanns Frank Coppola. Der Professor musste der Cosa Nostra Rechenschaft ablegen für den Mord. Weil er die Konfrontation mit Palermo fürchtete, schnitt er seinen alten Freund von der Leine: Er behauptete, das »Tier« habe Frank Coppolas Sohn aus eigenem Antrieb getötet.
    Das »Tier« war damit ein Geächteter in der Gefängniswelt, verfolgt von den Mitgliedern jeder Mafia,

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