Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

auch der eigenen. Er mied jeden Kontakt mit anderen, bereitete sich sein Essen und seine Getränke grundsätzlich selbst und trug stets ein Klappmesser im After versteckt. Schließlich siegten die Angst und das Gefühl, verraten worden zu sein, über seine Treue zu Cutolos Organisation: Das »Tier« bat die Behörden um Hilfe. Er erzählte den Ermittlern die ganze Geschichte der
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, seit ihrem Ursprung im Poggioreale-Gefängnis.
    Da die NCO in Auflösung begriffen war, nachdem der »Professor« auf die Gefängnisinsel Asinara verbannt worden war, gesellten sich bald weitere Überläufer dem »Tier« zu. Am 17 . Juni 1983 erließen Richter Haftbefehle für nicht weniger als 856  Personen in ganz Italien, von Häftlingen und berüchtigten Kriminellen bis hin zu Justizbeamten, Selbständigen und Priestern. Sie alle wurden unter Berufung auf das Rognoni-La Torre-Gesetz vor Gericht gestellt. Italiens jüngstes und wichtigstes Antimafia-Gesetz sowie die kostbaren Beweise der Kronzeugen sollten nun an der
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erprobt werden.
    Deckchen und Drogen
    Ein Trainingsrad für Astronauten. Eine Weckvorrichtung, die hartnäckige Schläfer aus dem Bett kippte. Eine drastische Maßnahme gegen den Nebel in der Poebene.
    Ein Vater, der Weihnachten aus dem Iran geflogen kam zu seiner jungen Familie. Eine welke, aber wählerische alte Jungfer aus Neapel, die mit dem spanischen Flamencotänzer ihrer Träume verkuppelt wurde.
    Talentierte Jungs. Schicke Klamotten. Komische Einlagen. Heiterer Jazz. Herzensangelegenheiten. Ein Set, das aussah wie eine riesige Patchwork-Steppdecke. Und ein zerraufter grüner Papagei, der sich entschieden weigerte, ungeachtet der Tricks und Schmeicheleien Dutzender Studiogäste, seinen eigenen Namen zu krächzen: »Portobello«.
    Von 1977 bis 1983 ließen sich am Freitagabend 25  Millionen italienische Fernsehzuschauer zu Tränen rühren von einer Show, die wie der Papagei
Portobello
hieß und ergreifende Geschichten aus dem Leben erzählte. Tausende gewöhnlicher Menschen nahmen an der Show teil: Ihre Anrufe nahm ein Team aus Telefonistinnen mit glänzenden Lippen entgegen, die an einem Bühnenende saßen. Der Moderator von
Portobello
setzte geschickt seine aristokratischen Umgangsformen, seine joviale Ader und sein Strahlemannlächeln in Szene, um dem Ganzen einen weltmännischen Rahmen zu geben. Sein Name lautete Enzo Tortora; er war 1928 als Sohn wohlhabender Eltern in Genua geboren und zählte nun, dank
Portobello
, zu den drei oder vier beliebtesten Prominenten des Landes. Zwischen dem gemütlichen, warmherzigen Italien, das
Portobello
um den Saubermann Tortora herumbaute, und der wilden, korrupten Welt der
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hätte die Kluft nicht größer sein können.
    Tortoras Show verdankte ihren Namen Londons Antik- und Trödelmarkt in der Portobello Road. Die Kernidee bestand darin, eine im Fernsehen übertragene Tauschbörse für Kuriositäten zu inszenieren. Und die Idee begeisterte. Obwohl der staatliche Sender RAI es ihnen streng verbot, sandten Zuschauer jeden erdenklichen Nippes ein, um ihn verschachern oder versteigern zu lassen. Die riesigen Lagerhallen des Mailänder Studios füllten sich bald, und der Speicherinhalt der gesamten Nation quoll auf die Flure.
    Irgendwo, verloren inmitten dieser Stapel bescheidener Schätze, befand sich ein kleines Paket, das aus dem Porto-Azzurro-Gefängnis auf der toskanischen Insel Elba geschickt worden war; es enthielt 18  Zierdeckchen, die ein Langzeitinsasse namens Domenico Barbaro eigenhändig gehäkelt hatte. Fünf Jahre später verursachten Barbaros Deckchen eines der berüchtigtsten Fehlurteile der italienischen Justiz. Ihretwegen wurde
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aus dem Programm genommen und gegen Enzo Tortora der Vorwurf erhoben, er habe den Filmstars Kokain verkauft und sei ein eingeweihtes Mitglied von Raffaele Cutolos
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. Die Welt von
Portobello
kollidierte mit der Welt des organisierten Verbrechens. Die daraus resultierende Explosion fügte dem italienischen Rechtssystem großen Schaden zu, und dies ausgerechnet in der Zeit, da die Macht der Mafias in Italien so groß war wie nie. Als der italienische Staat endlich die Waffen besaß, die er für die Bekämpfung des organisierten Verbrechens benötigte, wurde seine Legitimität abermals erschüttert.
     
    Tortora wurde im Morgengrauen des 17 . Juni 1983 verhaftet, in dem römischen Luxushotel, das ihm zur zweiten Heimat geworden