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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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enthüllenden Interview in einem Restaurant in Catania. Er benutzte eine bescheidene Metapher für seine bisherigen Leistungen und künftigen Pläne im Kampf gegen die Mafia. In Palermo habe er einen Raum gebaut, sagte er. Jetzt sei es an der Zeit, ein ganzes Gebäude zu bauen. Und zu diesem Zweck müsse er nach Rom gehen.
    Im weiteren Verlauf des Interviews konnte Falcone nicht verbergen, wie sehr es ihn schmerzte, Palermo zu verlassen. Am meisten kränkte ihn die Behauptung, der Bombenanschlag von Addaura habe ihn nervlich gebrochen und mit seinem Umzug nach Rom laufe er davon. Falcones Reaktion war ein untypischer Anflug von Zorn. »Ich habe keine Angst zu sterben. Ich bin Sizilianer«, sagte er. Und indem er den Knopf seines Sakkos so fest packte, dass er ihn fast abgerissen hätte, fuhr er fort: »Jawohl, ich bin Sizilianer. Für mich ist das Leben weniger wert als dieser Knopf.«
     
    Kaum in Rom angekommen, ging Falcone mit der üblichen Dynamik ans Werk. Und lieferte jedem, der glaubte, er sei zum zahnlosen Tiger geworden, den erstaunlichen Gegenbeweis. Er entwarf eine ganze Serie von Gesetzen, um gegen die Mafias im Land aufzurüsten. Er fand Maßnahmen, um die Geldwäsche einzudämmen und die Angeklagten in Mafiaprozessen hinter Schloss und Riegel zu halten, während ihre Verfahren liefen. Die Regierung erhielt die Macht, Stadträte aufzulösen, die vom organisierten Verbrechen unterwandert waren. Ein neuer Fonds wurde eingerichtet, um Opfer von Schutzgelderpressungen zu unterstützen. Politiker und Bürokraten, die nachweislich mit der Mafia im Bunde waren, wurden von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Und zu guter Letzt wurden per Gesetz die Anreize geregelt, die man Kronzeugen im Tausch gegen verlässliche Informationen bieten konnte.
    Wichtiger noch als diese Gesetze waren Falcones Pläne zur Einführung neuer Strukturen, die die Ermittlungsarbeit im Zusammenhang mit der Cosa Nostra, der Camorra, der ’Ndrangheta und den übrigen Mafiaorganisationen Italiens erleichtern sollten. Die
Direzione Investigativa Antimafia
(Kriminalamt zur Bekämpfung der Mafia), kurz DIA , war eine Art Äquivalent zum FBI : Sie sollte Italiens Einsatzkräfte in ihrem Kampf gegen die Bandenwelt koordinieren. Was die Justiz betraf, so nahm sich Falcone Palermos Antimafia-Pool zum Vorbild und schlug vor, ihn zu kopieren. In sämtlichen Staatsanwaltschaften des Landes sollten spezialisierte Juristenteams entstehen, die sich ganz auf die Bekämpfung der Mafias konzentrierten. Die
Direzioni Distrettuali Antimafia
oder DDA -Ämter waren geboren. Das Pool-System, das in Palermo demontiert worden war, diente jetzt im ganzen Land als Schablone. Die einzelnen DDA -Ämter sollten von einer
Direzione Nazionale Antimafia
(der Nationalen Antimafia-Staatsanwaltschaft), kurz DNA , koordiniert werden, deren Leitung ein ranghoher Richter innehatte, ein »Superstaatsanwalt«, wie ihn die Presse bald bezeichnen würde. Riesige Datenbanken würden die zahllosen Namen, Gesichter und Kontakte in Italiens Mafianetzwerken speichern.
    Falcone war in Palermo an den Rand gedrängt worden, und die Pionierarbeit des Antimafia-Pools, die dieser ungeachtet der tödlichen Gefahr geleistet hatte, war immer mehr behindert worden. Doch mit außergewöhnlicher Klarsicht und Kühnheit hatte Falcone einen flüchtigen Moment des politischen Tauwetters genutzt, um aus seiner bitteren Erfahrung in Palermo Lehren zu ziehen und den Kampf gegen die Mafiaorganisationen landesweit zu verändern. Dies war sein größtes Verdienst, sein Vermächtnis an das Land, das ihn nie in gebührendem Maße zu würdigen wusste.
    130  Jahre lang war Italiens Reaktion auf die Mafias halbherzig und bestenfalls sporadisch gewesen. Keiner der Mächtigen hatte sich die Mühe gemacht, die drei historischen Gangsterorganisationen – Cosa Nostra, Camorra und ’Ndrangheta – als nationales Problem zu betrachten, als drei Facetten ein und desselben Übels. Am meisten aber beunruhigte Italiens Vergesslichkeit. Jede Generation von Polizisten, Juristen, Politikern und Bürgern hatte die Mafias wieder neu entdecken müssen. Falcones Entwürfe für die DIA , die DNA und die DDA s brachten gewaltige Verbesserungen und eine neue Kontinuität im Kampf gegen die Mafias. Von nun an würde Italien, sobald es in einer Strafsache gegen die Cosa Nostra, die Camorra und die ’Ndrangheta ermittelte, Falcones Methoden anwenden. Zum ersten Mal in seinem Leben als geeinte Nation war Italien in Bezug auf

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