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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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sei und Rache nehmen dürfe. Sein führender Killer erzählt seither den Richtern, dass die Cosa Nostra sich aufgemacht habe, um »Giulio Andreottis politische Fraktion zu zerstören, deren Vorsitz [auf Sizilien] Salvo Lima innehatte«. Ohne Lima und Sizilien würde Andreotti einen Großteil seines Einflusses innerhalb der
Democrazia Cristiana
verlieren. So erhielt Salvo Lima, kaum sechs Wochen nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs zum Buscetta-Theorem, seinen Lohn für 40  Jahre treue Dienste für die Cosa Nostra, als er im Palermer Strandviertel Mondello von zwei Männern auf einem Motorrad niedergeschossen wurde.
    Falcone begriff die erschütternde Tragweite von Limas Hinrichtung und sagte daher zu einem Richter, der bei ihm war, als er die Nachricht erfuhr: »Verstehen Sie denn nicht? Das Gleichgewicht ist zerstört, jetzt könnte das gesamte Gebäude einstürzen. Was als Nächstes passiert, wissen wir nicht, was heißt, dass jetzt alles passieren kann.«
     
    Mit der Errichtung der DIA , der DNA und der DDA s, der Bestätigung des Buscetta-Theorems, der politischen Verwaisung der Cosa Nostra und schließlich der Ermordung Salvo Limas sah Falcone während seiner wenigen Monate im Justizministerium eine völlig neue Epoche in der langen Geschichte von Italiens Beziehung zu den Mafias heraufdämmern. Eine Epoche, in der wir noch immer leben. Eine Epoche, deren Geburt von explodierenden Bomben begleitet war.

6 DER NIEDERGANG DER ERSTEN REPUBLIK
    Opfer
    Um 17  Uhr, 56  Minuten und 48  Sekunden am 23 . Mai 1992 schlugen am geologischen Observatorium in Monte Cammarata unweit der Stadt Agrigent im Süden Siziliens sämtliche Seismographen aus. Sechzehn Sekunden zuvor war in 656  Kilometern Entfernung zwischen Flughafen und Palermo ein Streifen Autobahn von einer gewaltigen Explosion aufgerissen worden.
    Am Ort der Explosion spürten die drei Polizeibeamten Angelo Corbo, Gaspare Cervello und Paolo Capuzza eine Druckwelle und einen Hitzeblitz und wurden nach vorn geschleudert, als ihr Wagen unter einem Trümmerregen rüttelnd zum Stehen kam. Sie befanden sich im dritten Fahrzeug eines Dreierkonvois, der Giovanni Falcone und seine Frau fürs Wochenende in ihr Palermer Zuhause eskortierte. Benommen von der Wucht der Erschütterung, starrten sie entsetzt auf die Zerstörung. Dann dämmerte es ihnen, dass ein zweiter Anschlag folgen könnte, dass ein Killerkommando kommen könnte, um den Mann zu erledigen, der unter ihrem Schutz stand. Capuzza griff nach seiner Maschinenpistole M 12 , aber seine Hände zitterten zu sehr. Also zog er, wie die anderen, seine Dienstpistole. Die drei stolperten auf die Fahrbahn. Falcones weißer Fiat Croma stand einige Meter entfernt, vornüber gekippt, am Rand eines vier Meter tiefen Kraters. Falcone saß am Steuer hinter einer kugelsicheren Tür, die sich nicht bewegen ließ. Gaspare Cervello schilderte die Szene später so: »Ich konnte nichts weiter tun als Richter Falcone zu rufen: ›Giovanni, Giovanni‹. Er wandte sich mir zu, aber seine Augen blickten ins Leere.«
    Giovanni Falcone und Francesca Morvillo starben am selben Abend auf dem Operationstisch. Drei ihrer Leibwächter, Vito Schifani, Rocco Dicillo und Antonio Montinaro, waren bereits tot: Sie saßen im vordersten Wagen des Konvois, den die volle Wucht der Detonation getroffen hatte.
     
    Was macht einen Helden aus? Woher nahm Falcone seinen Mut? Nach so vielen Rückschlägen, so viel Terror? Der italienische Staat wurde von vielen seiner Bürger verachtet; seine menschlichen und materiellen Ressourcen wurden von allzu vielen Politikern als bloßes Patronagefutter missbraucht. Und doch hatte Falcone just für diesen Staat sein Leben gegeben.
    Die endgültige Antwort auf diese Fragen verbirgt sich in psychologischen Tiefen, in die kein Historiker jemals vordringen wird. Gleichwohl ist die Frage keineswegs sinnlos. Im Gegenteil, sie ist von großer historischer Bedeutung. Denn Falcone war nicht allein. Sein Engagement wurde von vielen geteilt – angefangen bei seiner Frau und seinen Leibwächtern. Viele würden sich ein Beispiel an ihm nehmen, so wie er es sich an all jenen nahm, die vor ihm gestorben waren.
    Als Falcones Freunde und Angehörige gefragt wurden, was ihn angetrieben hatte, sprachen sie von seiner Erziehung, von Patriotismus und Pflichtbewusstsein, die ihm von frühester Jugend an beigebracht worden waren. Solche Faktoren sind zweifellos wichtig. Doch die vielsagendste Erklärung für Falcones Motive kam

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