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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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zuvor.
    Im Januar 1993 , just am Tag von Casellis Ankunft auf Sizilien, wurden auf einem Kreisverkehr der Palermer Ringstraße Totò Riina und sein Fahrer verhaftet. Riina war seit 1970 untergetaucht. Doch wie bei allen anderen Flüchtigen der Cosa Nostra traf der Begriff »untergetaucht« nicht ganz den Punkt. In den 23  Jahren, in denen er sich der Festnahme entziehen konnte, hatte Riina nicht nur seinen Staatsstreich innerhalb der Cosa Nostra ausgetüftelt, sein Wirtschaftsimperium geleitet und zahllose Vertreter des Gesetzes ermordet, sondern auch kirchlich geheiratet, vier Kinder gezeugt und zur Schule geschickt und die beste medizinische Versorgung erhalten, die es für Geld zu kaufen gab.
    Riinas Festnahme war den Insiderinformationen seines ehemaligen Fahrers zu verdanken. Seit Borsellinos Tod waren die Behörden mit solchen Hinweisen überschwemmt worden. Auch die Anzahl der Kronzeugen nahm exponentiell zu. Einige waren ermutigt durch die neuen Schutzmaßnahmen; andere fürchteten die strengeren Haftbedingungen; und wieder andere waren nur bis ins Mark erschüttert von dem, was Falcone und Borsellino zugestoßen war. Gaspare Mutolo alias »Mister Champagne«, der Ferrari fahrende Heroinhändler, stellte sich im Mai 1992 als Kronzeuge zur Verfügung, nachdem Giovanni Falcone ihm monatelang sanft zugeredet hatte. Er war der Letzte, den Borsellino verhört hatte. Die Bombe in der Via d’Amelio räumte den letzten Rest von Mutolos Zurückhaltung beiseite, von nun an hielt er nicht mehr hinter dem Berg. Da er bis zum Frühjahr 1992 mit Bossen im Gefängnis gesessen hatte, die Riina nahestanden, war er als Erster in der Lage, Insiderinformationen zur Strategie der Cosa Nostra nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs zum Mammutprozess zu geben. Er lieferte auch Beweise, die am Heiligen Abend 1992 zur Verhaftung Bruno Contradas führten, des früheren Polizeichefs von Palermo und stellvertretenden Oberhaupts des italienischen Geheimdienstes. Contrada würde letztlich der Zusammenarbeit mit der Cosa Nostra überführt werden.
    Am sensationellsten überhaupt war, dass Mutolos Aussagen auch gegen den siebenmaligen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti verwendet wurden. Als Tommaso Buscetta im Jahre 1984 Falcone zum ersten Mal begegnet war, hatte er ihn gewarnt, dass Italien noch nicht bereit sein könnte, von den Verflechtungen der Cosa Nostra mit der Politik zu erfahren. Die tragischen Ereignisse von 1992 überzeugten Buscetta, dass es nun an der Zeit sei, und er belastete Andreotti ebenfalls. Ein weiterer »Reuiger«, der Heroinkoch Francesco »Mozzarella« Marino Mannoia, erzählte den Staatsanwälten, Andreotti habe sich Anfang 1980 mit Stefano Bontate, dem »Prinzen von Villagrazia«, getroffen. Anlass sei unter anderem der Plan der Cosa Nostra gewesen, Piersanti Mattarella zu ermorden, den Präsidenten der Region Sizilien. Andreotti habe sich Marino Mannoia zufolge gegen das Vorhaben ausgesprochen. Bontate jedoch habe ihn ignoriert und Mattarella beseitigt. Dies sei vermutlich der Zeitpunkt gewesen, hieß es in einer späteren Stellungnahme der Staatsanwaltschaft, ab dem Andreotti sich mehr und mehr von der Cosa Nostra distanziert habe. Und doch bleibt es ein bedrückendes Ereignis. Andreotti wusste, dass die Mafia seinen Parteikollegen Mattarella im Visier hatte, und unternahm nichts, ihn zu retten.
    Die Cosa Nostra versuchte, die
pentiti
gewaltsam zum Schweigen zu bringen. Santino Di Matteo, wenige Wochen nach Riina festgenommen, war aus der Gruppe, die den Bombenanschlag auf Giovanni Falcone geplant und ausgeführt hatte, einer der Ersten, die ein Geständnis ablegten. Matteos elfjähriger Sohn Giuseppe wurde daraufhin entführt und über zwei Jahre in einem Keller festgehalten, bevor er erwürgt und in Säure aufgelöst wurde.
    Nichtsdestoweniger äußerten sich weitere
pentiti
– darunter Männer aus Riinas engstem Kreis. Im September 1992 wurde ein junger Drogendealer namens Vincenzo Scarantino verhaftet und beschuldigt, die Bombe gelegt zu haben, die Paolo Borsellino und seine Leibwächter getötet hatte. Auch er würde ein Geständnis ablegen.
    Sizilien atmete die Luft der Revolution. Die katholische Kirche hatte sich von allen Institutionen am beharrlichsten gegen einen Wandel in Italien gewehrt. Überdies hatte sie sich im Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen der Hoffnungen, die gläubige Menschen wie Paolo Borsellino in sie setzten, von den Priestern ganz zu schweigen, die ihren Widerstand

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