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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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wie auch ein Großteil seiner Politik und seines Staatsapparats, gewohnheitsmäßig gegen Transparenz. Welcher Schattierung von Grau die Betreffenden auch angehören, keiner von ihnen möchte, dass das Gesetz ihnen allzu genau auf die Finger schaut. Ivan Lo Bello ist der Vorsitzende von Siziliens
Confindustria
(dem Arbeitgeberverband). Seit beschlossen wurde, dass Schutzgeld zahlende Mitglieder ausgeschlossen werden, lebt er unter Polizeischutz und hat seine Kinder in ein ausländisches Internat geschickt. Ende 2011 sagte er dazu Folgendes:
    »Die Reaktion der kriminellen Vereinigungen macht mir weniger zu schaffen als die Reaktion der Politiker. In Sizilien treffen wir auf feindseliges Schweigen. Wir haben das Gefühl, dass uns Stadträte, Ratsherren, Parteiführer und Staatsfunktionäre nicht leiden können, weil ihnen daran gelegen ist, den Status quo zu wahren.«
    Es gibt eine breite Schicht in der sizilianischen Gesellschaft – vom bescheidensten Ladenbesitzer bis hin zum raffiniertesten Banker –, für die der Kampf gegen das organisierte Verbrechen – bestenfalls – extrem lästig ist.
     
    Wie die Cosa Nostra blicken auch Camorra und ’Ndrangheta auf eine lange Geschichte zurück, die von ihrer Fähigkeit zeugt, sich an neue Gegebenheiten anzupassen und sich von Tiefschlägen zu erholen. Wie die Cosa Nostra, wenn auch in anderer Form, greifen sie auf Traditionen und Familienwissen zurück, um ihren Weg in die Zukunft zu finden.
    Was ich über die Grauzone in Sizilien sagte, lässt sich auch auf Kampanien und Kalabrien übertragen. Die Giftmüll- und Abfallskandale zeigen auf anschauliche Weise, wie schlechte Geschäfte und schlechte Politik der Camorra Tür und Tor öffnen. Was wäre die ’Ndrangheta ohne ihre eigenen »Mittelschicht-Schurken« und ihre eigene Grauzone? In Kalabrien, wo nur wenige gegen das Schutzgeld protestieren und zwielichtige Freimaurerbünde weit verzweigt sind, reicht die Grauzone sogar weiter in die Gesellschaft hinein als in Sizilien. Nachdem der Arbeitgeberverband
Confindustria
begonnen hatte, Maßnahmen gegen Unternehmen mit Mafiakontakten zu ergreifen, folgten andere Verbände seinem Beispiel, wie etwa die Palermer Niederlassung von ANCE , der Vereinigung von Bauunternehmen. Als der Zweig dieser Organisation in Reggio Calabria im Juni 2010 eine Konferenz zum Thema Rechtsstaatlichkeit veranstaltete, protestierten Delegierte gegen eine ganze Bandbreite von Gesetzen, die darauf abzielten, Verbindungen zwischen Mafiosi und Geschäftsleuten zu verbieten.
    Historisch betrachtet war die ’Ndrangheta von allen Mafias vielleicht am wenigsten empfänglich für Ideologien. Sie hat immer begriffen, dass die Grauzone keine politische Färbung kennt. Die langjährigen Stützpunkte der ’Ndrangheta im Norden beweisen auch, dass die Grauzone keine regionalen Grenzen kennt. Korrupte Politiker und Geschäftsleute machen landauf, landab Geschäfte mit ’Ndranghetisti. Sogar in einigen Feldern der nationalen Wirtschaft, die sich nicht in den Fangarmen des organisierten Verbrechens befinden, sind dubiose Geschäftsmethoden und Korruption an der Tagesordnung – nicht nur in Süditalien und Sizilien. 2011 sprach der Chef der nationalen Antimafia-Staatsanwaltschaft, Pietro Grasso, für ganz Italien, als er das Folgende sagte:
    »Die Mafiamethode, die illegalen Begünstigungen Vorschub leistet und Wettbewerb verhindert, wurde in einigen Grenzgebieten von Politik und Wirtschaft abgekupfert, wo räuberische Geschäftemacher-Cliquen wie Pilze aus dem Boden schießen.«
    Der italienische Staat unternimmt auch eine Menge, um Bürger abzustoßen, die sich noch immer an die Regeln halten. Italiens Strafverfolgungssystem befindet sich in einem beklagenswerten Zustand. Die durchschnittliche Verfahrensdauer beträgt vier Jahre und neun Monate. Es gibt in dieser Geschichte viele Beispiele von Verfahren im Zusammenhang mit der Mafia, die sich über Jahre hinzogen und deren Urteile von jeder Instanz, bis hinauf zum Obersten Gerichtshof, gekippt wurden. Solche Verzögerungen sind für die Angeklagten ungeheuerlich und bringen das Gesetz fortwährend in Verruf. Die Verzögerungen können aber auch Vorteile bringen für die Ganoven. Was wunder, dass manche Bürger glauben, die Gerichte ließen jeden Wirtschaftskriminellen, der sich die nötigen Anwälte leisten kann, um Gerichtsverfahren in die Länge zu ziehen, bis die Verjährung greift, nahezu straffrei davonkommen.
    Der Staat kann sogar dazu beitragen,

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