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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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dass ehrliche Bürger in die Grauzone geraten. Er versagt zum Beispiel völlig, wenn es gilt, der italienischen Wirtschaft Fairness und Transparenz aufzuerlegen: So sind beispielsweise die Zivilgerichte, die sich mit Streitsachen zwischen Bürgern und Unternehmen befassen, in einem noch desolateren Zustand als die Strafgerichte. 2011 verwies die Weltbank in einer Rangliste von 183  Ländern Italien, was die gerichtliche Durchsetzung vertraglicher Forderungen anbelangt, auf Platz 158 , direkt hinter Pakistan, Madagaskar und dem Kosovo und drei Plätze vor Afghanistan. Ende Juni 2011 gab es in den Zivilgerichten einen Rückstand von 5 , 5  Millionen Fällen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer beträgt sieben Jahre und drei Monate. In Deutschland braucht eine Lieferfirma, die einen Kunden wegen einer unbezahlten Lieferung verklagt, entsetzlich lang, um vor Gericht ein Urteil zu erwirken – im Durchschnitt 394  Tage. In Italien sind es 1210  Tage. Eine Ewigkeit im Leben eines Unternehmens: In dieser Zeit könnte jemand sechsmal pleitegehen. Kein Wunder, dass einige Unternehmer versucht sind, sich auf nicht friedlichem Wege neue Kredite zu beschaffen. Mafiosi heißen solche Unternehmer mit offenen Armen und einem Krokodilslächeln willkommen.
    Zu vieles in Italien liegt im Argen. Patronagepolitik und Korruption lassen den Staatsapparat auf der Stelle treten. Ein großer Teil der Wirtschaft basiert auf Schwarzarbeit und ist daher für das Gesetz unsichtbar, während weite Bereiche der sichtbaren Wirtschaft von Ineffizienz und Kungelei blockiert werden. Die italienische Gesellschaft ist offenbar unheilbar von denselben Lastern befallen. Außerdem besteht wenig Aussicht, dass die Italiener eine Regierung wählen, die ehrlich, entschlossen und stark genug wäre, die Reformen einzuführen, die ihr Land so dringend braucht. Denn solange Italien im derzeitigen Zustand verharrt, liegt ein dauerhafter Sieg über die Cosa Nostra, die Camorra und die ’Ndrangheta in weiter Ferne.
     
    Der Kalte Krieg gab den Mafias einen politischen Schutzschild, hinter dem sie plünderten, prosperierten und Italien an den Rand des Abgrunds trieben. Doch die Mafias haben schon vor dem Kalten Krieg existiert, und sie haben auch sein Ende überlebt. Die schlagzeilenträchtigen Gewaltexzesse der langen achtziger Jahre haben sich zwar gelegt, dennoch schafft das organisierte Verbrechen nach wir vor eine nationale Notlage und eine nationale Schande.
    Und trotzdem hat Italien heute mehr Grund, optimistisch zu sein, als zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit. Die Antimafia-Staatsanwälte und Polizeikräfte Italiens sind unterbezahlt, schlecht ausgerüstet und unterbelegt. Sie agieren unter sehr feindseligen Bedingungen. Richter in mafiaverseuchten Gegenden werden stets von bewaffneten Polizeieskorten begleitet und führen ein mönchisches Leben aus Angst, sie könnten unwissentlich in der falschen Gesellschaft fotografiert werden. Doch aufgrund ihres Engagements, ihres Mutes und ihrer Professionalität wird für Italiens Verbrechervereinigungen das Leben härter denn je. Mafiosi werden bei ihren Treffen abgehört. Sie werden aufgestöbert, wenn sie untertauchen. Selbst in der Wildnis des Aspromonte geht es nicht mehr ganz nach dem Kopf der ’Ndrangheta. Eine Spezialeinheit der Carabinieri, die
Cacciatori
(»Jäger«), wurde in den frühen neunziger Jahren gegründet und mit Helikoptern ausgestattet, um gegen Entführungen vorzugehen. Seit die ’Ndrangheta die Entführungsindustrie aufgegeben hat, sind die
Cacciatori
bemerkenswert erfolgreich darin, den kalabrischen Gangstern den Zugang zu ihren traditionellen Bergverstecken zu verwehren.
    Obwohl das italienische Rechtssystem sich nach wie vor außergewöhnlich nachsichtig zeigt und in übertriebenem Maße die Rechte der Beschuldigten schützt, scheint die lange Geschichte der Straflosigkeit für die Mafia vorbei zu sein. Gangster können jetzt einen fairen Prozess erwarten, wenn sie vor Gericht stehen. Auch wenn die Mühlen der italienischen Justiz besonders langsam mahlen, sitzen Mafiosi, Camorristi und ’Ndranghetisti jetzt Tausende von Jahren im Gefängnis ab. Ebenso wichtig ist, dass viele Milliarden Euro ihres zusammengestohlenen Reichtums beschlagnahmt wurden. Es bestehen mittlerweile sogar Übergriffe auf die Grauzone.
    Blickt man heute zurück auf die Geschichte von Italiens Verbindung zu den Mafias seit dem Zweiten Weltkrieg beziehungsweise seit den Ursprüngen der Mafias im 19

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