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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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Faible der Öffentlichkeit für Geheimgesellschaften und grausige Verbrechen Vorschub. Eine hungrige Leserschaft wurde mit Titeln gefüttert wie:
Die Maffia in ihren Faktoren und Manifestationen. Eine Studie über Siziliens gefährliche Klassen
( 1886 );
Das Camorra-Duell
( 1893 );
Sitten und Gebräuche der Kamorristen
( 1897 ); oder
Die Tätowierungen der Kamorristen Neapels
( 1898 ). Der Markt in Neapel gierte besonders nach Büchern, die Einblick gaben in die Struktur und den speziellen Wortschatz der Camorra. Sie lasen sich wie Lehrwerke, wie Bestandteile eines inoffiziellen Leitfadens über die Ehrenwerte Gesellschaft, den Ortsansässige sich zu Gemüte führen mussten, ehe sie für sich beanspruchen konnten, Neapel zu kennen und waschechte Neapolitaner zu sein.
    »Camorra-Zuhälter« mit vielsagendem Körperschmuck. Einer der vielen lüsternen Studien zum Thema Gangster-Tattoos entnommen, die im ausgehenden 19 . Jahrhundert erschienen.
    Blutrünstiger Camorrista.
    Einige der Autoren dieser Handbücher waren Polizeibeamte und Anwälte, die eine Menge harter Fakten in die Debatte über das organisierte Verbrechen einbringen konnten: zum Beispiel die Tatsache, dass aus Gründen der Geheimhaltung Mitglieder der Ehrenwerten Gesellschaft in zwei getrennte Gruppen unterteilt waren: Die jungen
picciotti
gehörten der
Società Minore
an, der »Unteren Gesellschaft«, wogegen die ranghöheren Camorristi die
Società Maggiore
, die »Obere Gesellschaft«, bildeten. Dennoch woben die Verfasser auch aufgewärmte Folklore mit ein (über die spanischen Ursprünge der Camorra zum Beispiel), dazu pseudowissenschaftliche Spekulationen und schlichten Nervenkitzel. Viele der Bücher enthielten schaurige Illustrationen von Verbrecherohren, von grausig entstellten Prostituierten oder von Oberkörpern, die geheimnisvolle Tätowierungen aufwiesen. All dem lag der schlichte, aber verführerische Glaube zugrunde, dass Sehen gleich Wissen sei. Wie ein Polizist und Soziologe schrieb:
    »Die meisten Camorristi haben eine dunkle, zum Fahlen tendierende Hautfarbe und üppiges Kraushaar. Die meisten haben dunkle, funkelnde oder stechende, einige aber auch helle, eiskalte Augen. Ihre Gesichtsbehaarung ist spärlich. Abgesehen von wenigen harmonischen Physiognomien (viele freilich von langen Narben verunstaltet), sieht man zumeist unförmige, breite oder stupsige Nasen. Es gibt auch viele niedrige oder vorgewölbte Stirnen, breite Wangenknochen und Kiefer, Ohren, die entweder gewaltig oder winzig sind, und dazu noch faulige oder schiefe Zähne.«
    Die positivistische Kriminologie behandelte das Verbrechen, als wäre es nicht komplizierter als ein Abstrich auf dem Boden einer Petrischale. Dabei sind Mafiosi und Camorristi ebenso imstande wie wir, rational zu denken und strategisch zu planen. Und sie haben, mehr als wir Übrigen, allen Grund, von den Geschichten über Geheimgesellschaften und abscheuliche Missetaten fasziniert zu sein …
    Ganoven im Publikum
    Zu den faszinierenderen Gegenständen, die in der Nationalbibliothek in Neapel aufbewahrt werden, gehört eine Fotografie, die nichts Geringeres als den Gründungsmoment der Camorra festhält. So scheint es zumindest. Mit bemerkenswerter Klarheit sind die Gründungsmitglieder der Camorra abgelichtet – alle neun –, wie sie im Halbkreis in einer großen Gefängniszelle sitzen. Sie legen offensichtlich ein Gelübde ab, wobei sie auf die heiligen Gegenstände schwören, die vor ihnen auf dem Boden liegen: zwei gekreuzte Dolche zu Füßen eines Kruzifixes. Die neuen Mitglieder halten den Blick auf den Mann gerichtet, der die Zeremonie zu leiten scheint. Er ist ein selbstsicherer Mensch mit einem breitkrempigen Hut, den er weit aus der Stirn geschoben trägt. Er hat eine Hand beruhigend auf die Schulter eines nervös wirkenden Novizen gelegt und deutet mit der anderen auf Dolche und Kruzifix.
    Die Fotografie entstand während der Proben für das Theaterstück
Die Gründung der Camorra
, das am Abend des 18 . Oktober 1899 Premiere hatte, vermutlich zu Reklamezwecken. Wenn dem so war, dürfte sie ihren Zweck erfüllt haben. Das Interesse an dem Stück war nämlich so groß, dass die Eintrittskarten für die zweite Aufführung bereits am Mittag ausverkauft waren und man die
Carabinieri
rufen musste, um die enttäuschte Menge der Zurückgewiesenen in Schach zu halten.
    Das Manuskript des Stücks ist leider verschollen. Doch die Kritiken lassen erahnen, warum es so viel Aufregung

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