Omka: Roman (German Edition)
mich!«, schrie sie, »ich ärgere mich!« und lachte. »Wenn du wüsstest, wie sehr ich mich jetzt ärgere!«
Josefs Blick fiel nochmals auf die Weinflasche, und ihre übertriebene Reaktion wunderte ihn nicht mehr.
Dann wurde sie ruhiger und sagte: »Im Wald haben sie eine Gruppe Leute gefunden, die mit vollen Rucksäcken und aller Ausrüstung gestorben sind, es war der Schock, sie hatten sich verirrt.«
Vor Omkas Augen tanzten blaue Flecken, die Hitze brannte in ihrem Kopf. Josef sah sie an und dachte an die Möwe und den Strand, das Geräusch wie zerdrücktes Stroh und sein Gespräch mit dem Rechtsanwalt. Da befiel ihn etwas, was er nicht kannte. Wortlos ging er zu Omka, packte sie am Arm, drehte ihn auf ihren Rücken, drückte sie mit dem Gesicht nach unten auf den Tisch und tat ihr weh.
Velinka kam am nächsten Tag, an dem Josef ungewöhnlicherweise zu Hause war, pünktlich zur Tür herein und fand ihn in der Küche vor, das Kind auf dem Arm beim Kaffeekochen. Sie nahm ihm Jonas ab. Er trug seinen Morgenmantel, der unter dem Arm eingerissen war und in dem er aber aufgrund des japanischen Schnittes und der langen, tief herunterhängenden Ärmel sehr elegant und weltmännisch aussah. Das Köpfchen des Kindes, das über seine Schulter guckte, sah winzig aus und er groß, und Velinka dachte an ihre Kindheit in Slowenien, an ihre sieben Geschwister, die dünne, grüne Schicht Schimmel auf dem Käse, den ihre Mutter immer machte und der so leicht verdarb, an das Brett, das aus der schlammigen Wiese in das Loch vom Hühnerstall führte, und an die blutigen Federn, die sie eines Morgens einmal davor gefunden hatte, als sie die Eier aus den Nestern hohlen wollte.
»Ich«, sagte Josef und gab ihr das Kind, »ich habe heute frei.«
Velinka lachte in sich hinein. Bestimmt hatte das Paar in der Nacht zuvor getrunken, sich vergnügt und sich ein paar versteckte Stunden geholt, wer sollte da noch lange fragen?
»Brauchen Sie mich dann überhaupt, Herr Grentshäuser?«, fragte die Kinderfrau.
»Ja, doch, sicher«, sagte er. »Meine Frau schläft noch.«
Velinka ging zu ihm, streckte ihm beide Hände entgegen, und er legte ihr das Kind in die Arme, das leise zu weinen begann.
»Wissen Sie, Velinka, möchten Sie vielleicht auch eine Tasse Kaffee?« Nachdem die Kinderfrau bejahte und sich umständlich setzte, goss ihr Josef eine kleine Tasse Kaffee ein und fragte: »Möchten Sie Sahne, Zucker oder Milch dazu?«
»Nein, vielen Dank«, sagte Velinka, »ich trinke den Kaffee schwarz, aus alter Gewohnheit.«
Jonas weinte lauter.
»Sagen Sie«, sagte Josef, »darf ich Sie etwas fragen? Es ist wegen meiner Frau. In letzter Zeit ist sie etwas aufgeregt, ich denke mir manchmal, das kommt von der Überforderung … weil … seit das Kind da ist, eben. Ich verstehe das auch, es ist ja nicht so … aber sehen Sie, ich mache mir irgendwie Sorgen. Jetzt wollte ich Sie fragen, ob sie, wenn Sie miteinander sprechen, ob sie dann etwas sagt in dieser Richtung.«
Inzwischen war Velinka aufgestanden und trug das Kind durch die Küche, wobei sie immer von einer Ecke in die nächste ging und dann wieder zurück. Ab und zu blieb sie an ihrer Kaffeetasse stehen, unterbrach ihr Summen und nahm einen Schluck. Josef sah das rosige, kleine Gesicht mit dem schwarzen Flaum auf dem Köpfchen und den zusammengekniffenen Augen, dem zwischen den japsenden Schreien lautlos aufgesperrten Mund und die tränenlosen Wangen und fragte: »Soll ich ihm einen Schnuller geben?«
Velinka dachte kurz nach, sagte dann: »Ich glaube, das ist nicht nötig« und ging weiter auf und ab, wobei sie das Kind mit der flachen Hand beruhigend klopfte.
»Ich wollte eben nur wissen«, sagte Josef etwas lauter, um das Geschrei des Kindes zu übertönen, »ob Sie nicht auch den Eindruck haben, dass … es ihr manchmal zu viel ist.«
Velinka dachte kurz nach, den schreienden Säugling auf dem Arm, und ihre Mutter fiel ihr ein. Acht Kinder, zwanzig Hühner, einen betrunkenen Wüstling von Ehemann und einen Kartoffelacker in der Größe von Ljubljana.
»Wissen Sie«, rief sie in das Kindergeschrei hinein »wir reden eigentlich nicht sehr viel miteinander.«
Er war verwundert. Velinka war jeden Tag da, und soweit er wusste, war Omka auch viel zu Hause, und er konnte es nicht glauben, dass sich zwei Frauen mit einem Kleinkind in einem gemütlichen Haus mit einer funktionierenden Kaffeemaschine nichts zu sagen hätten. Aber bevor er noch fragen konnte, warum, sagte
Weitere Kostenlose Bücher