Omka: Roman (German Edition)
und Ewigem. Und nach dem zweiten Glas Wein bekam sie furchtbaren Hunger. Das Märchen mit den Räubern in der Höhle fiel ihr ein, die einem gefangenen Mädchen drei Gläser Wein zu trinken geben, ein weißes, ein rotes und ein gelbes, und dass davon ihr Herz entzweigeht, und sie stellte sich vor, sie wäre das Mädchen und müsste jetzt in der Räuberhöhle sterben.
Immer noch aufgeregt, jetzt aber mehr von dem, was geschehen war, und weniger von seinen Gedanken, stieg Josef aus dem Auto und schlug die Tür hinter sich zu. Er sah noch nach, ob man am Auto irgendwelche Spuren erkennen konnte, fand aber keine. Es begann leise zu regnen, und das Geräusch, das die Tropfen auf der Windschutzscheibe machten, beruhigte ihn etwas. Der Himmel war jetzt noch dunkler, es kam wohl ein Gewitter auf, aus dem Küchenfenster kam Licht und warf ein helles Rechteck ins Gras, das von zwei schwarzen Linien durchzogen war, die sich in der Mitte trafen und ein Kreuz bildeten. Im Ort begann man, die Wetterglocken zu läuten.
Omka trank Weißwein und hatte nach dem vierten Glas schreckliche Lust, jemandem die Wahrheit zu sagen, alles, was ihr am Herzen lag, das komische Gefühl, das sie Josef gegenüber hatte, das, was in ihr vorging, wenn sie Jonas sah, und dass sie von sich selber glaubte, dass ihr etwas fehlte.
Sie hörte den Schlüssel im Schloss und rief: »Josef! Liebster! Ich bin hier, in der Küche!«
Josef kam zu ihr, und sein Blick fiel auf den Tisch, wo die grüne Flasche mit dem pergamentfarbenen Etikett stand, in der nur mehr vier Finger hoch Wein war, in der Luft lag der Geruch von etwas Süßem, das im nächsten Moment aber ekelhaft scharf roch. »Omka«, sagte er, »da brennt doch was an!«
Omka sah ihn erstaunt an, dann fiel ihr etwas ein, und sie sprang zum Herd, auf dem ein Topf stand, von dem der Rauch abwechselnd und an verschiedenen Stellen den Deckel hochhob, um in dünnen, langen Fäden zu entweichen. »Oh, oh, oh!«, sagte Omka, stellte den heißen Topf schnell in die Spüle und drehte das Wasser auf, es zischte und knackte, und eine Rauchsäule stieg an die Zimmerdecke wie eine Opfergabe. Josef schaute in den Topf, der langsam aufhörte zu brodeln, und hörte Omka neben sich sagen: »Vielleicht kann man sie doch noch …«
Er sah sie an, und sie verstummte.
»Dass es so einen großen Unterschied macht«, dachte er bei sich.
»Eigentlich ist es egal, es gibt wichtigere Dinge!«, sagte Omka überzeugt. »Weißt du … dass in der Zeitung gestanden hat … es war eine Frau im Krankenhaus, die man mit einer Sonde ernähren musste. Sie bekam Astronautennahrung und hatte aber trotzdem andauernd Hunger und ist dann gestorben, ist das nicht merkwürdig?«
Er verstand nicht, was sie sagen wollte.
»Josef, ich muss mit dir reden. Es gibt etwas, das ich dir schon lange sagen möchte. Das heißt, ich möchte dir gerne etwas erzählen über mich, ich meine, manchmal, da ist mir so komisch zumute.«
Josef dachte an die Fahrt nach Hause, der Geruch nach verbrannten Kartoffeln brannte in seiner Nase und reizte seine Augen, ihr Überschwang fiel ihm auf die Nerven, und er beschloss, anstatt auf das, was sie sagte, einzugehen, wie er es gewohnt war, einen Bogen darum zu machen, und sagte auf einmal: »Ich will wissen, warum du es so liebst, wenn ich mich ärgere, und mich deshalb aufregen willst. Und wenn ich dir dann etwas tun will, dich hinstellst, als sei ich ein Verrückter.«
Er erschrak. Im nächsten Moment dachte er daran, wie es sich anfühlen würde, wenn Omka anders wäre und ihre Nächte ohne den kalten Blick wären und ohne ihre herrische Art. Omka sah ihn verwundert an. Dann hörte er etwas wie ein Kichern, aber als er genauer hinhörte, bemerkte er, dass sie weinte. Als er das Weinen erkannte, war er überzeugt davon, dass sie ihn wirklich hinters Licht führte, denn sonst könnte sie ihm doch eine normale Antwort geben. Er war sich sicher, etwas aufgedeckt zu haben, und sagte fest und bestimmt: »Sag mir, was das ist in der Nacht, ich will wissen, was es ist!«
»Warum lässt du mich nicht … ich wollte mit dir reden und dir sagen, dass … über solche Dinge! Es quält mich, ich leide darunter, und dir ist es egal …weil dir dein Unbehagen wichtiger ist! Ich habe dir gesagt, ich will reden!«
Omka bemerkte die Hitze in ihrem Kopf, dass sie sich nicht von dem Gefühl, das sie hatte, ablenken konnte, sondern es sich breitmachte, und merkte, dass sie sich ärgerte.
»Ich ärgere
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