Omka: Roman (German Edition)
anscheinend selber nicht genau wusste, was es war? »Sie hat ein Kind von dir und will dich jetzt aus deinem eigenen Haus hinausekeln«, flüsterte ihm eine böse Stimme ins Ohr. Ja, das Haus, das war es und Omka darin. Es schien ihm manchmal, als habe sie keinen Ort, keinen eigenen Platz, kein Revier, obwohl sie Geld hatte und einen anständigen Beruf und ein Haus im Schwarzwald. Hatte sie mit ihrem früheren Mann dort gewohnt und war dann gegangen? War der Mann noch da, und wollte sie deshalb von dem Haus nichts mehr wissen? Hatte es ihm gehört, und Omka hatte es nach der Scheidung bekommen? Wie auch immer, Josef war überzeugt, dass es um das Haus ging, das Omka als ihren Ort in dieser Welt ausgesucht hatte und von wo sie ihn nun vertreiben wollte. Wenn das stimmt, dachte er sich … Und was darauf folgte, drückte ihm das Herz ab.
Als hätte er auf einmal einen lichten, vernünftigen Gedanken, nahm er das Telefon und wählte eine Nummer. Ein Schulfreund von ihm hatte Jura studiert, und Josef rief ihn an.
»Joe?«, hörte er den Rechtsanwalt am anderen Ende fragen.
»Ja, Stefan, ich bin’s.«
Der alte Freund freute sich, wieder einmal von Josef zu hören, denn obwohl sie nicht sehr weit voneinander entfernt wohnten, sahen oder hörten sie sich doch selten.
Nachdem sie sich gegenseitig einige Belanglosigkeiten erzählt hatten, fragte Stefan: »Kann ich etwas für dich tun, ich meine, brauchst du eine Auskunft?« Josef begann zu erzählen. Er bemühte sich, nicht den Eindruck zu erwecken, als sei Omka ein berechnendes Weibsbild, sondern erzählte nur, wie es sich zugetragen hatte, dass sie sich kennengelernt hatten, dass sie bei ihm wohnte und sie ein Kind zusammen hätten. Deshalb sagte er auch nichts über den Schwimmunfall, denn rechtlich relevant war er nicht. Sein Freund hatte ihm geduldig zugehört, nur manchmal hörte Josef das schnelle Klicken eines Kugelschreibers. Dann fragte der Anwalt: »War es das?«
Josef bejahte und begann, an seinem Bleistift zu kauen. Er fühlte sich, als erführe er gerade ein Geheimnis.
»Wenn die Frau länger als drei Jahre ohne Mietvertrag und kostenfrei bei dir wohnt, gilt das als unbefristeter Mietvertrag und du bekommst sie nicht mehr so schnell aus dem Haus, wenn sie nicht will. Weil ihr ein Kind zusammen habt, hat die Frau ein Wohnrecht, bis das Kind die Volljährigkeit erreicht hat. Was allerdings ein Vorteil ist, ist, dass du sie auch ohne Hochzeit nach drei Jahren bei dir mitversichern kannst, wenn sie nicht arbeitet und dir unentgeltlich den Haushalt führt«, sagte Stefan.
Weil Josef schwieg, fragte er: »Bist du noch dran?«
»Ja, ja, entschuldige.«
»Noch eine ganz praktische Frage – ist die Frau vermögend?«
»Ja«, sagte Josef darauf schnell.
»Na, dann gratuliere ich doch. Aber in dem Fall, mein Freund, rate ich dir, zu heiraten. Passiert dir etwas, erbt das Kind dein Hab und Gut und die Mutter bleibt bis zur Volljährigkeit der Vormund und Vermögensverwalter des Kindes. Passiert der Mutter hingegen etwas, hast du kein Erbrecht und die Obsorge für das Kind wirst du auch kaum erhalten. Ich spreche aus Erfahrung, was meinst du, womit ich es den ganzen Tag zu tun habe?«
Nachdem sie noch eine Weile gesprochen hatten, bedankte sich Josef und legte den Hörer auf. Jetzt hatte er endgültig den Eindruck, er lebe mit einer Frau zusammen, die die Seele eines Krokodils besaß.
»Ich bin ein Trottel, was bin ich doch nur für ein Trottel!«, sagte er sich.
Und obwohl er den Schwachpunkt seiner Theorie, Omka sei ein berechnendes, habgieriges Weibsbild, uneingestanden erkannte, wollte er doch an diese saubere, rationale und grausame Erklärung glauben. Und das, was das ganze eisige Gebirge krönte, war Omkas Beruf. Er war sich sicher, dass sie das, was Stefan ihm erklärt hatte, alles wusste.
Omka saß immer noch hinter ihrem halbvollen Champagnerglas im schweren, dunkelbraunen Ledersessel des Cafés im Einkaufszentrum neben ihren vollen Einkaufstaschen und sah sich die vorbeihastenden Menschen an. Sie überlegte, wie sie alles mit dem Fahrrad nach Hause bekommen sollte, da sah sie eine Frau mit einem Totenkopf vorbeigehen. Sie trug zwei Einkaufstaschen, war klein und schmal, dunkel angezogen, hatte normale Hände, einen normalen Gang, aber auf ihren Schultern saß ein Totenkopf mit zwei leeren Augenhöhlen. Aus den Lautsprechern kamen Musik und Stimmen, sie hörte: »So etwas haben Sie noch nie erlebt! Bis zu minus fünfzig Prozent auf
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