Omnia vincit amor - Liebe besiegt alles
damit nicht leben!« Meine Stimme brach. »Das geht nicht. Ich will nicht leben, wenn sie für mich sterben musste.« Ich atmete ein paar Mal hektisch durch. »Ihr hasst mich doch jetzt sicher! Mich und das Baby.«
»Miriam, wie kannst du nur?«, stammelte Elias. Ich raffte die Decke und schlang sie um mich. Flink, für meine Neunmonatsbauch-Verhältnisse, sprang ich aus dem Bett.
»Ich muss hier raus.« Ich rannte so schnell ich konnte hoch in die Eingangshalle und hinaus in den Park. Ich spürte Elias hinter mir, doch er hielt Abstand, vielleicht weil er Angst hatte, noch einmal angeschrien zu werden. Ich weiß nicht warum, aber meine Füße trugen mich instinktiv zum Ort des Geschehens. Das Gras war noch immer benetzt von dunklem, getrocknetem Blut. Mit Tränen in den Augen kniete ich mich hin und griff mit den Fingern hinein. Voll Wut rupfte und riss ich an dem Gras und feuerte es in die Richtung aus der die Schüsse gekommen waren.
»Miriam, bitte«, hörte ich Elias‘ Stimme. Ich hielt inne und japste nach Luft. Das Rennen hatte mich sehr angestrengt und ich spürte Schmerzen in meinem Unterleib. Elias kniete sich hinter mich und lehnte seine kühle Stirn an meine Schulter.
»Ich kann nicht mehr … bitte … ich brauche deine Hilfe.« Er schluchzte und seine kühlen Hände tasteten sich vorsichtig an meiner Taille entlang. »Ich will doch nur in deine Arme … mehr nicht. Versprochen.«
»Liebe ihn …«, flüsterte Emilias Stimme im Rascheln der Blätter im Wind.
KAPITEL 15
Als Anastasija und Elias am nächsten Morgen Emilias Asche in den Wind streuten, schloss ich meine Augen. Das war zu viel für mich. Ich wollte wegrennen und stellte mir vor, dass meine Schuhe mit Nägeln am Boden befestigt wären, damit ich stehenblieb. Alle hatten sich von Emilias sterblichen Überresten verabschiedet, nur ich nicht. Ich war an meinem Platz zwischen meinen Eltern versteinert und sah zu wie alle weinten, selbst mein Bruder verdrückte ein paar Tränen. Vielleicht lag meine absolute Emotionslosigkeit daran, dass ich kein Auge zugemacht hatte. Die Zwillinge hatten das Schlafzimmer belagert und ich hatte es mir im Wohnzimmer bequem gemacht, wo ich die ganze Nacht durch das Fernsehprogramm gezappt hatte. Spätestens gegen vier Uhr morgens war ich eine Expertin für Sexhotlines. Egal welche Vorliebe, ich kannte nun die passende Telefonnummer. Füße? Große Hupen? Alles abgespeichert. Ach, und ich war nun die stolze Besitzerin eines Abos für Pickelcreme.
»Alles okay?«, fragte Mama leise, als sie bemerkte, dass ich mit geschlossenen Augen dastand. Ich öffnete sie vorsichtig und traf direkt den verweinten Blick meines Mannes. Er stand immer noch neben seiner Schwester und hielt sie fest. Roman war nicht bei ihnen, was meine Mutter nicht wirklich verstehen konnte. Mehrmals während Emilians Rede hatte sie Dinge wie Man lebt auch für seine Kinder geflüstert. Ich schaffte es, mich von Elias‘ Blick zu lösen und sah meiner Mutter in die Augen.
Ich war an der ganzen Sache hier schuld. Diese Last erdrückte mich, machte mich leer. Mama legte einen Arm um mich und küsste meine Stirn. Automatisch sah ich wieder zu meinem Mann, der mich immer noch anstarrte. Hätte ich mich zu den Zwillingen stellen sollen? Dort wäre ich mir aber so fehl am Platz vorgekommen. Zum Glück sprach Emilian bereits die letzten Worte und meine verkrampften Glieder lösten sich. In mir war nur Kälte. Sonst nichts. Elias küsste seine Schwester und steuerte dann auf mich zu.
»Das hast du gut gemacht«, lobte ihn Mama und zog ihn an sich heran, bevor er zu mir gelangen konnte. Seine Augen ruhten fragend und voller Trauer auf mir. Ich hatte es immer noch nicht über das Herz gebracht, ihn und Emilias Tod an mich heranzulassen. Ich machte mir selbst etwas vor, indem ich mir die wildesten Sachen einredete, nur um etwas anderes zu fühlen als den Verlust einer Freundin. Ich gab mir die Schuld an ihrem Tod oder verrannte mich in blinder Wut, die beinahe jeden treffen konnte. Mama sah zwischen uns beiden hin und her.
»Ich werde mal nach Roman sehen«, entschuldigte sie sich. Als sie ging sah ich ihr nach und schrak dann richtig zusammen. Ana stand plötzlich auch vor mir. Sie trug wieder das schwarze Kleid, nur hatte sie sich dieses Mal noch ein schwarzes Band in die Haare geflochten.
»Kommst du mit uns zu Papa?«, wollte sie wissen. Ich blinzelte müde und schüttelte meinen Kopf in Zeitlupe. Elias kniff die Augen zusammen und schluchzte
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