Omnia vincit amor - Liebe besiegt alles
zurückkam. Ich pflückte mein Kind aus meinem Gefieder und packte ihn mit dem Schnabel. Sicherlich war das furchtbar unangenehm für ihn, aber die Gene seines Vaters würden ihn vor schlimmen Schmerzen bewahren. Ich stieß mich vom Dach ab und folgte dem anderen Wandler, welcher viel geübter im Fliegen war. Obwohl ich die größere Flügelspannweite hatte, war er wesentlich flinker und musste immer wieder kleine Runden drehen, um mich nicht zu verlieren. Vielleicht wohnte er in der Nähe und wir würden bei ihm Unterschlupf finden? Über unsere mentale Verbindung würde ich Elias sagen können, wo wir waren, also folgte ich dem weißen Raben ohne zu Murren. Ich wusste, ich sollte Anastasija suchen, aber die Sicherheit meines Kindes ging vor.
Ich habe Calimero, Liebling. Ich habe ihn! Wir sind in Sicherheit , versuchte ich Elias zu sagen, doch ich bekam keine Antwort. Mit Sicherheit musste er sich gerade darauf konzentrieren, keinem Werwolf vor die Nase zu laufen und dann war da noch die blutende Hallow in seinen Armen.
Die Gegend, in die mich der Rabe führte, kam mir bekannt vor, doch in der Dunkelheit und aus der Höhe tat ich mich schwer mit der Orientierung. Als er schließlich an Höhe verlor und zielgenau auf ein Haus zusteuerte, wurde mir bewusst, wo wir waren. Hier kannte ich mich nur zu gut aus, meine Freundin Eva wohnte dort. Nun war ich verwirrt. Evas Freund war doch ein Hund und kein Rabe. Doch mir blieb keine Zeit zum Grübeln, denn nun musste ich landen ohne Calimero und mich dabei umzubringen. Ich sah mich um, es war kein Auto unterwegs. Nur gut, dass Eva in einer kleinen Seitenstraße wohnte, also nahm ich die Straße als Landebahn. Ich schrammte mir die Füße auf, als ich wie ein betrunkener Pelikan mit zu viel Schwung aufkam und versuchte mit meinen Flügeln und Füßen zu bremsen. Calimero piepste in meinem Schnabel ängstlich, doch wir kamen zum Stehen und ich atmete erst einmal tief durch. Ich sah zu Evas Haus, wo der Rabe bereits auf dem Gartenzaun saß und mich gespannt beobachtete. Ich verwandelte mich zurück und begutachtete meine blutigen Fersen. Das Küken sah erst mich und dann den Raben an. Sowie sein Blick auf ihn fiel, verwandelte er sich ebenfalls zurück. Doch in der Dunkelheit konnte ich nur einen großen Mann erkennen, der von der Rückverwandlung erschrocken schien und rückwärts vom Zaun purzelte. Ich schnappte mir Calimero und rannte zu dem Fremden. Die Haustür öffnete sich und das Licht von innen erleuchtete den kleinen Vorgarten. Oh. Mein. Gott!
»David!«, kreischte ich. Da lag mein Bruder! Nackt und zitternd. Meine Freundin stürmte zur Tür heraus und sah erschrocken zwischen mir und David hin und her.
»Es ist überall in den Nachrichten«, krächzte sie und weinte. »Was ist da bei euch in der Villa los und wo ist Daniel?«
Ich hatte jetzt keine Zeit für Fragen und drückte ihr Calimero in die Hand.
»David, oh mein Gott!«, rief ich und packte meinen Bruder unter die Arme. Gemeinsam mit Eva schafften wir es, ihn ins Haus zu bringen. Als Evas Mutter uns entdeckte, keimte trotz meiner Wandlergene etwas Scham in mir auf. Immerhin war sie Lehrerin an meiner alten Schule und nun standen David und ich nackt vor ihr.
»Lieber Himmel, Eva hol Miriam etwas von dir zum Anziehen und schau, ob du in Papas Schrank etwas für ihren Bruder findest«, befahl sie sofort und half mir an Evas Stelle, David auf das Sofa im Wohnzimmer zu verfrachten. Als wir ihn hingesetzt hatten, nahm ich sein Gesicht zwischen meine Hände und zwang ihn mich anzusehen.
»Was ist passiert?«, wollte ich wissen. »Bitte David, sprich mit mir.«
Er schnappte nach Luft und seine Augen wirkten total wirr. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Es war, als hielte die Angst ihn im Klammergriff, als würde sie ihm die Luft und die Gedanken abdrehen.
»Er muss sich erst beruhigen«, versuchte Evas Mutter einzulenken und zwang mich, mich hinzusetzen. Wo war mein Kind?
»Ich werde euch beiden einen warmen Tee machen.«
Ich hörte jemanden die Treppe hinunterlaufen, aber die Person war zu groß und zu schwerfällig, um Eva zu sein. Als ich über meine Schulter sah, erspähte ich Evas Vater, der mich mit großen Augen ansah.
»Herrje, Mädchen!«, rief er. »Du bist ja hier.« Er befestigte eine Art Funkgerät an seinem Gürtel und lief zu mir herüber. »Meine Einheit wurde zu eurem Anwesen gerufen. Sogar die Bundeswehr ist unterwegs.«
»Die Menschen wollen uns helfen?«, schluchzte ich und sah zu
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