Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

Titel: On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Birr
Vom Netzwerk:
das allerbeste und rümpft die Nase, wenn man einen Bewohner eines anderen Bezirkes enttarnt hat. Ein Treptower kann nur ganz schwer mit einem Lichtenberger kommunizieren, und Westberliner gehen schon mal gar nicht: Die fallen in die gleiche Kategorie wie Mongolen, Eskimos oder Schwaben. Kurz nach der Fußballweltmeisterschaft 2006 erzählte mir ein Hellersdorfer begeistert von Völkerverständigung und Toleranz: »Die WM hat doch richtig was verändert. Das war so ein riesiges Gefühl von Zusammengehörigkeit. Ich hab sogar mit Leuten aus Pankow und Weißensee Fußball spielen können, und es gab überhaupt keinen Ärger.«
    Vor den Wahlen zum Studentenparlament der Humboldt-Universität verteilte eine Hochschulgruppe Broschüren mit ihrem Wahlprogramm. Ihre Position zum Thema Rassismus ließ sich so zusammenfassen: Es war ihre tiefe Überzeugung, dass die den Völkern zugeschriebenen Eigenheiten und Mentalitäten ein vorurteilsbeladenes Konstrukt darstellen, das von den von Natur aus rassistischen und zum Faschismus neigenden Deutschen in die Welt gesetzt wurde. Zwei Vertreter dieser Hochschulgruppe machten Wahlwerbung auf dem Campus. Der eine trug ein T-Shirt mit der Aufschrift »Gegen Rassismus«, der andere eines mit dem Schriftzug »Deutschland, halt’s Maul!«. Ein ganz großes Rätsel des hochschulpolitischen Antirassismus.
    Auch die Ausflugsbinnenschifffahrt hat ihr Rätsel: Warum wird gewinkt? Sobald am Ufer jemand dem vorbeifahrenden Schiff zuwinkt, winkt mindestens die Hälfte der Fahrgäste zurück. Machen die das zu Hause auch? Winkt man den gleichen Touristen auf dem Alexanderplatz zu, so halten sie ihre Handtaschen und Brustbeutel fest und beschleunigen ihren Schritt. Man hört ja so viel von diesen rumänischen Taschendiebesbanden in Berlin. Da winkt man nur kurz zurück, und in dem Moment schlitzt irgendein Popescu einem die Tasche auf und klaut die Geldbörse raus. So machen die das doch!
    Hans Rosenthal hatte einmal in »Dalli Dalli« einen Gast zurechtgewiesen, der unvermittelt in die Kamera gewinkt hatte: »Nicht winken! Sie sind in einer Großstadt!«
    Recht hat er! In einer Großstadt hat man unfreundlich zu sein, auf der Straße zügig zu gehen und niemandem in die Augen zu sehen. Wer in die Kamera winkt, ruft auch bei Gewinnspielen im Radio an, kann die Frage nicht beantworten und fragt zum Schluss auch noch: »Kann ich noch jemanden grüßen?«
    Wenn ich jemanden grüßen will, rufe ich ihn an.
    Unter den weiteren unlösbaren Rätseln, die mir die Touristen aufgaben, fanden sich: Warum tragen die Japaner Fischerhüte mit vorne hochgeklappter Krempe? Warum sind die Iren am Unterarm tätowiert? Warum brüllen die Spanier immer so, und warum haben die spanischen Frauen alle diese Reibeisenstimmen?
    Klaus kam zu mir und riss mich aus meinen Gedanken:
    »Samma, du Vogel, willste mal anfangen langsam? Wir haben schon abgelegt, sarickma.«
    Warum sagte er eigentlich immer »sarickma«? Es wird sein Rätsel bleiben, dessen Lösung er wahrscheinlich selbst nicht kennt.
    * Die separatistische Bayernpartei machte im Wahlkampf zur Europawahl 2009 trickreiche Werbung in Berlin: Ihr Plakat zeigte zwei in Tracht gekleidete Bayern von hinten, die zum Abschied winkten. Darunter stand: »Wollt ihr nicht auch die Bayern loswerden? Dann wählt die Bayernpartei. Für ein Deutschland ohne Bayern.« Ihre Internetseite enthielt Tiraden gegen den »arroganten seltsamen Freistaat im Süden« sowie gegen »ihre ›Sprache‹, dieses geistlose Gebrabbel«. Die Taktik funktionierte: Mit 1,0 % der Stimmen konnte die Partei ihren Erfolg von 2004 wiederholen, und bei der Bundestagswahl erreichte sie sogar ihr bestes Ergebnis seit 1957: 0,7 % der Zweitstimmen.

Die größte Party des Jahres
    E s war Anfang Juni, und ich hatte ein langes Arbeitswochenende vor mir. Ich rechnete mit saftig Trinkgeld, denn auf diesen Donnerstag fiel ein Feiertag. Und was macht der Deutsche am langen Wochenende? Eine Radtour durchs Rheingau, ein Besäufnis auf dem Campingplatz oder eine Städtereise nach Berlin.
    Als ich um halb zehn mit dem Fahrrad zur Anlegestelle fuhr, kamen mir auf der Karl-Marx-Allee fünf Typen mit Stiernacken, Sonnenbrillen und nackten Oberkörpern entgegen. Sie zogen einen Bollerwagen hinter sich her, in dem zwei Kästen Bier standen. Verdammt, es war Herrentag. Das hatte ich völlig vergessen.
    Der Herrentag, der eigentlich Besoffene-Proleten-pissen-auf-die-Straße-und-machen-Ärger-Tag heißen müsste, ist eine

Weitere Kostenlose Bücher