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On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

Titel: On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Birr
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Gleiche«, sagte sein Kollege. Alle lachten dreckig.
    »Bei uns heißt dit immer noch Berliner Angsambl«, lallte der Beschwerer. »Dit war immer so, und dit wird auch immer so bleiben.«
    »Wie Sie meinen, mein Herr. Sie dürfen selbstverständlich Berliner Angsambl sagen, wenn ich auch Berliner Ensemble sagen darf.«
    »Haste wat an die Ohren, oda wat? Dit heißt Berliner Angsambl. Nüscht anderes! Los, sags! Berliner Angsambl!«
    »Berliner Ensemble«, sagte ich.
    »Ick bring dir um, du Arschloch! Sag Angsambl!«
    »Entschuldigen Sie, aber ich –«
    Er kämpfte sich zum Gang und war schon auf halbem Weg zu mir.
    »Sag Angsambl, oder hier passiert ein Unglück.«
    »Klaus!«, rief ich ins Mikrofon. »Klaus! Sicherheitsdienst!«
    Klaus lief zum Beschwerer und redete auf ihn ein, zeigte auf mich und machte die Der-hat-nicht-mehr-alle-Sprossen-an-der-Leiter-Geste. Der Beschwerer hatte die Fäuste geballt und war kurz vorm Platzen. Vielleicht sollte ich hier ein Einsehen haben:
    »Äh … Angsambl«, sprach ich ins Mikrofon. »Angsambl, Angsambl, Angsambl.«
    Der Beschwerer bellte wieder:
    »Der soll bloß aufpassen, Alta. Bloß aufpassen soll der. Dit macht der nich nochma, is dit klar, Alta!«
    Damit setzte er sich unter Protest wieder hin. Gerade nochmal gutgegangen.
    »Da bist du auch selbst dran schuld«, zischelte Klaus mir zu, als er wieder an mir vorbeiging. »Berliner Ensemble! So redet doch keiner. Kannste dir ja denken, dass die Leute da sauer werden.«
    »Klaus, ich halte das nicht aus. Wie soll man so arbeiten?«
    »Ich auch nicht«, sagte Klaus. »Hier steigt gerade die größte Party des Jahres, und ich muss arbeiten. Ick hol mir jetzt ooch n Bier.«
    Fünfzehn Minuten später sah für Klaus die Welt schon ganz anders aus. Er kam mit einer Bierflasche in der Hand. Es war nicht mehr seine erste.
    »Wat willste denn, Alta? Dit sin alles janz knorke Leute. Man muss nur wissen, wie man mit denen umgehen muss.«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich finde diese Typen ein bisschen unentspannt. Die sind ziemlich seltsam drauf.«
    »Man muss sich auf so was einlassen«, sagte Klaus und duckte sich vor einem heranfliegenden Bierglas weg. Es zerschellte neben uns auf dem Stahlboden.
    Die Hellersdorfer lachten dreckig.
    »Dit nächste Mal erwisch ick dir, Keule«, brüllte einer.
    »Kennst du die?«, fragte ich.
    »Nö«, sagte Klaus. »Aber die wollen doch nur ein bisschen Party machen. Ist doch schön. Sonne scheint, man ist draußen und trinkt gemütlich n Bierchen.«
    »Das ist mir gerade gar nicht gemütlich. Die sind ziemlich aggressiv.«
    Ein zweites Bierglas landete neben uns.
    »Wat habt ihr zwei Schwuppen denn da zu bequatschen?«, rief der Hellersdorfer. »Alta, wenn ick mipm Bierglas nach dir werfe, dann heißt dit, dass dit Bier alle is. Bringste jetze mal fünf neue, oder muss ick hier erstn Stuhl rausreißen?«
    So hatte ich mir immer Feierabend bei der Wehrmacht vorgestellt.
    Klaus ging Bier zapfen, und ich versuchte immer noch, meine Arbeit zu machen.
    »Rechts ist das … also … rechts, wenn Sie mal schauen wollen. Hallo? Also, das ist das ARD Hauptstadtstudio, eines der modernsten –«
    »Dit interessiert hier keenen, Keule«, rief jemand.
    Ich gab auf.
    »Also … äh … meine Damen und … ach Quatsch! Meine Herren! Ich werde hier meine Erläuterungen wegen mangelnden Interesses einstellen und verweise Sie auf die Reiseführer Baedeker und Polyglott. Für tiefergehende Informationen empfehle ich Ihnen das Zentrum für Berlinstudien in der Breiten Straße und die Werke des Regionalhistorikers Prof. Dr. Laurenz Demps.«
    Aus. Fertig. Ihr könnt mich mal. Die Passagiere jubelten. Ich verzog mich in den Personalraum.
    Als wir nach der letzten Tour anlegten, blieb ein Teil der Herren rotgebrannt, stinkend und zusammengesunken im Stuhl sitzen und musste vom Bootsmann und mir zum Verlassen des Schiffes regelrecht angetrieben werden. Der Bootsmann wusste das gut zu erledigen, denn er hatte schon mal beim Almauftrieb geholfen. Er schnitt sich aus den Büschen eine Rute, peitschte damit auf die Herren ein und machte immer »Reeek-ek-ek-ek«.
    Am Kai hatten sich einige Hellersdorfer mit begeisterten spanischen Trinktouristen solidarisiert und spielten »Wer kann auf seiner eigenen Kotze am weitesten über den Kai schlittern«. Kids, don’t try this at home!
    Die Bilanz des Tages sah so aus:
    Gäste an Bord: 327
    Davon Herrentagler: 250
    Verkaufte Biere (groß): 500
    Verkaufte Biere (klein):

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