On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)
nur wegen des angehängten »-dorf« durchsetzen können, sonst hießen sie Heiner, Wolter und Wilmer.
Wie viele Rätsel muss Deutschland den ausländischen Touristen wohl aufgeben, denen ich jeden Tag die Stadt erklären soll? Was sich im einen Teil Deutschlands ziemt, ist im anderen verpönt. Dieser deutsche Kultur- und Mentalitätenföderalismus muss für einen Amerikaner das größte Rätsel sein. Wie belogen und betrogen, für dumm verkauft und zum Narren gehalten muss sich ein Amerikaner fühlen, wenn er als erste deutsche Stadt Köln besucht. Sein Leben lang hat man ihm erzählt, dass in Deutschland Bier aus riesigen Krügen getrunken wird, die einen ganzen Liter fassen, dass Deutschland den zweithöchsten Pro-Kopf-Bierkonsum der Welt aufzuweisen hat, dass es dort Starkbier mit acht Prozent Alkoholanteil gebe. Und nun sitzt er mit lauter anderen enttäuschten Touristen in einer Kölner Showbrauerei und muss sein dünnes Kölsch aus einem Reagenzglas trinken. Ich wäre sauer.
Wenn sich ein Neuseeländer in München eine Tracht kauft, bestehend aus Lederhosen, Wadlstrümpfen, Janker und Hut, so wird er in Bayern für seine Integrationsbereitschaft gelobt. Kommt er in diesem Aufzug nach Berlin, wundert er sich, dass er zur Begrüßung aufs Maul bekommt.
Einmal fragte mich ein Grieche: »Is there a slight racism against Bavaria?«
Weit holte ich aus, um ihm das Rätsel der Bayernfeindschaft zu erklären, erzählte von der jahrhundertealten Antipathie zwischen Preußen und Bayern, von bayerischen Monarchisten, von den Christdemokraten, deren Partei in Bayern anders heißt als im Rest Deutschlands, und von der Bezeichnung »Freistaat Bayern«. Damit musste ich den Griechen so verwirrt haben, dass er schließlich fragte: »Is Bavaria not a part of Germany, then?« Wäre ich Berliner und Bayernhasser gewesen, hätte ich ihm daraufhin ein Bier ausgegeben. *
Die intranationale Xenophobie war mir immer ein großes Rätsel. Die Ablehnung der Fremdenfeindlichkeit scheint da aufzuhören, wo der Fremde nicht fremd genug ist. Seit einigen Jahren war es Mode, auf »die Schwaben« zu schimpfen, die allesamt dafür verantwortlich seien, dass am Prenzlauer Berg ausnahmslos jedes Bier fünf Euro koste, jede Wohnung marmorverkleidet und fußbodenbeheizt war und (besonders schlimm!) dass die Zahl der richtigen, echten, eingeborenen und nie woanders gewesenen Berliner unter die Nachweisbarkeitsgrenze gesunken war. Die Gentrifizierung war nicht zu leugnen, und auch ich hielt die Shishabars in Friedrichshain, die Flagshipstores amerkanischer Modelabels in Mitte und die unglaublichen Mieten in den feineren Gegenden des Prenzlauer Bergs für ganz schön überflüssig. Die von Missgunst und Neid auf allen Seiten geprägte Debatte darüber schien aber oft nur ein Ventil für ganz anders begründeten Hass zu sein: Gerade diese Schwaben sind die schlimmste Pest, die Berlin seit der napoleonischen Besatzung heimgesucht hat. Sie erdreisten sich, in Berlin ihre Eier zu legen und ihre Brut in Kinderwagen durch den Bezirk zu schieben. Sie sitzen in Cafés herum, in denen unberlinische Getränke verkauft wurden: Milchkaffee, Bionade und bayerisches Bier. Sie tragen Kleidung, die man in Berlin gefälligst nicht zu tragen hat: Sonnenbrillen mit riesigen Fliegenaugengläsern. Sie kaufen biologisch ein, was ja wohl mal das Allerletzte ist. Sie kümmern sich um Erziehung und Bildung ihrer Kinder, als ob sie was Besseres wären. Sie haben Arbeit. Wenn man dagegen nichts tut, werden diese Menschenfresser irgendwann zahlenmäßig überlegen sein, Berlin von innen aushöhlen und für den Tod der einzig wahren Berliner Leitkultur sorgen: Herrengedeck für dreifuffzich. Aber es tut ja niemand was, weil alle so hoiti-toiti supitolerant sind. Berlin schafft sich ab! Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!
Was in Bezug auf Afrikaner und Asiaten zu Recht als Rassismus galt, war in Bezug auf »die Schwaben« allgemein akzeptiert und gehörte zum guten Ton. Neu zugezogene Zwanzigjährige erkannten diese politisch korrekte Fremdenfeindlichkeit als gute Umgangsform und gewöhnten sich ebenfalls das Fluchen an, was sie besonders lächerlich machte. Dabei durfte aber niemand erfahren, dass sie selbst aus einer westdeutschen Kleinstadt stammten. Schäm dich für deine Heimat, schäm dich für dein Gebiet.
Aber die Berliner schaffen es sogar, noch eine Stufe herunterzugehen: auf Bezirksebene. Gerade im Ostteil der Stadt hält man sein eigenes Viertel gern für
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