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On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

Titel: On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Birr
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neulich?«
    »Ach was. Wir haben einen getrunken, und dann bin ich noch mit zu Sandy und Enrico.«
    »Ach ja«, sagte der Bootsmann mit einem hintergründigen Lächeln. »Aber da hats dann wohl doch noch länger gedauert, was?«
    »Schon«, sagte Martin und grinste.
    »Ich wünsch dir ne schöne Schicht.«
    »Dir auch.«
    Martin schien mit einigen Kollegen besser bekannt zu sein, als ich mir vorstellen wollte.
    »Ach so«, rief Martin dem Bootsmann hinterher. »Das mit dem Dings … äh … wegen dem –«
    »Ja, schreis übers Schiff«, sagte der Bootsmann.
    Martin ging aufs Schiff, tuschelte mit dem Bootsmann, sie gaben sich die Hand, und Martin kam wieder zu mir ans Ufer.
    »Na, ist ja auch egal«, sagte Martin zu mir. »Wenn wir uns wiedersehen: Ich bin Martin und dein Kollege.«
    Egal was ich sagte, ich konnte es jetzt nur noch falsch machen.
    »Ich bin Tilman, und ich habe vorhin gedacht, dass du mir eine Obdachlosenzeitung verkaufen willst. Zufrieden?«
    »Du gibst das auch noch zu?«
    »Du hast mich doch eh schon ertappt.«
    »Ja, aber du müsstest doch noch so ein bisschen rumdrucksen, von wegen nicht so gemeint und es ist ja noch früh am Tag und schlechte Augen hättest du auch und der ganze Kram. Machen auf jeden Fall alle anderen. Zur Ehrenrettung.«
    »Ach Ehre, son Quatsch«, sagte ich.
    Martin lachte.
    »Reich mir die Flosse, Genosse«, sagte er und gab mir die Hand. War das jetzt gerade nochmal gutgegangen oder eine Primärphasenvollkatastrophe?
    Als ich mich auf meinen Platz hinter der Brücke setzte, drehte sich der Kapitän zu mir um.
    »Na, haste gerade Martin kennengelernt?«
    »Jou.«
    »Der ist einer der Besten hier. Ich glaub, der macht mehr Trinkgeld als alle anderen Quatscher zusammen.«
    »Was macht der denn anders als die anderen?«
    »Ich weiß nicht. Der ist einfach … Das kann man nicht erklären. Der ist einfach gut.«
    Es war eine ruhige Tour. Als wir nach der Pause wieder ablegten, kam von hinten das zweite Schiff von seiner ersten Tour zurück. Ich hörte starken Applaus übers Wasser, Martin stand auf dem Oberdeck und verbeugte sich. Als wir zehn Minuten später nach dem Wenden wieder an der Anlegestelle vorbeifuhren, stand Martin am Ufer und schüttelte Hände.

Hoadabazl
    D ass es ab und zu Gäste gab, die meine Ansagen kommentierten, wusste ich schon. Wenn es Nichtberliner waren, kannten sie die Stadt meistens schon ganz genau aus dem Fernsehen und hatten sie sich von Guido Knopp erklären lassen. In diesem Fall war es ein bayerisches Ehepaar, das sich in die erste Reihe direkt vor mich gesetzt hatte. Der Mann gehörte zur Fraktion »Jetz red i«, während die Frau eher der Sorte »Nun lass gut sein« angehörte – eine klassische Rollenverteilung bei Ehepaaren um die sechzig. Es ging los, als wir mit der ehemaligen Grenze einen Ort erreichten, den der Bayer schon einmal im Fernsehen gesehen hatte.
    »Wir passieren nun die ehemalige Grenze. Hier stand vom 13. August 1961 bis zum 9. November 1989 die Berliner Mauer. Mindestens 136 Menschen sind bei der versuchten Flucht nach Westen ums Leben gekommen.«
    »Då is die Mauer gwen«, brummte der Bayer.
    Hab ich doch gerade gesagt, du Vogel.
    Ähnlich verfuhr er bei den folgenden Stationen. Ich referierte über den Reichstag. Er sagte: »Des is der Reichståg.« Seine Frau sagte »Ja« und nickte. Ich sprach über die Siegessäule. Er sagte: »Des is die Siegessäule.« Seine Frau sagte »Ja« und nickte. Bei neueren Gebäuden setzte er noch einen Satz hintendran. Ich sprach über das Kanzleramt. Er sagte: »Des is des Kanzleramt. Wås des a Geid kost håt!«
    Den Höhepunkt erreichte er, als wir am Hauptbahnhof vorbeifuhren. »Des is der Hauptbahnhof. Wås des a Geid kost håt!«, sagte er erwartungsgemäß und drehte sich nun sogar zu den Gästen hinter sich um. »Net wahr? Wås des a Geid kost håt. A Wahnsinn!« Der Herr hinter ihm sagte »Ja« und nickte.
    Bisher kannte ich diese Angewohnheit nur von Comedypublikum. Der Pointenwiederholer ist die Pest jedes Kinogängers. Mario Barth sagt: »Als ick meene Freundin zum ersten Mal jeknutscht hab, da hatte ick so’n Kribbeln im Bauch. Aber dit war keene Liebe. Ick musste kacken.« Und der Steuerfachgehilfe im Publikum sagt: »Ich musste kacken. Hahahaaaa …« Er hatte es verstanden.
    Schrecklich, schrecklich, schrecklich. Aber nach einer Stunde war auch diese Tour vorbei. Ich ging wie immer an den Ausgang.
    »Auf Wiedersehen. Wiedersehen. Tschüss. Bye-bye!«
    Ein Gast steckte

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