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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
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Stromkabel zu dem Haus hatte führen sehen. Lebten die Parkers hier tatsächlich noch wie vor hundert Jahren? Ohne Strom und fließend Wasser? Unvorstellbar, aber selbst in den USA ein nicht seltenes Phänomen. Viele Leute waren so arm, dass sie sich nicht einmal ein vernünftiges Dach über dem Kopf leisten konnten.
    Leise klopfte Ondragon mit dem Fingerknöchel an das Fenster. Pete sprang auf wie von der Tarantel gestochen und verschwand aus dem Zimmer. Wenig später öffnete sich die Tür vom Blockhaus. „Pssst, Mr. On Drägn , hier bin ich. Kommen Sie, aber seien Sie leise. Onkel Joel schläft.“
    Ondragon folgte dem Hillbilly ins Haus. Drinnen schlug ihm eine betörende Mischung aus abgestandenen Essensgerüchen und ranziger Räucherbude entgegen. In dem schwachen Lichtschimmer, der aus dem Zimmer der Jungen fiel, konnte er den großen steinernen Kamin an der Stirnseite des Raumes erkennen, sowie einen Tisch mit Stühlen und an den Wänden Regale mit Geschirr. In der Ecke neben dem Kamin stand ein grob gezimmerter, länglicher Holzkasten, in dem Onkel Joel mit offenem Mund lag und schnarchte. Seine alte Flinte stand gleich daneben, und sein Schlapphut hing auf dem Lauf. Dieser Raum war offensichtlich Küche, Wohnzimmer und Schlafgelegenheit in einem, und den äußeren Ausmaßen des Blockhauses nach zu urteilen, konnten da auch nicht mehr viel andere Räumlichkeiten vorhanden sein. Auf den Zehenspitzen folgte Ondragon Pete in das kleine Zimmer, in das gerade mal die zwei Betten passten. Über den Betten hingen Regale, die bis zur Decke mit allen möglichen Fundstücken aus dem Wald angefüllt waren: Elchgeweihe, ein Wildschweinschädel, knorriges Wurzelholz, ein vorsintflutlicher Espitkocher und Müll wie ein kaputter Wanderrucksack und alte Schuhe.
    Pete schloss die Tür und flüsterte: „Onkel Joel würde nicht einmal hören, wenn neben ihm ein Bär furzt, aber wir sollten trotzdem leise sein.“
    Suchend sah sich Ondragon in dem engen Raum um.
    „Sie können sich hierher setzen, Mr. On Dr ägn .“ Der Kofferjunge klopfte auf sein Bett. Ondragon ließ sich nur widerwillig auf dem Knäul verfilzter Decken nieder und fuhr sogleich wieder hoch, weil ihm etwas aus dem unförmigen Haufen angrunzte.
    „Zum Teufel, was ist das?“, rief er erschrocken.
    „Das ist doch nur Bugs. Unser Hund. Keine Angst, der tut nichts.“
    Der tut nichts? Das hatte er ja bereits erlebt! Damals hatten ihn gerade mal zwei Zoll davor bewahrt, von Bugs zerfleischt zu werden. Misstrauisch beäugte er das schwarze Fellknäul, das friedlich in die Decken gekuschelt dalag und ihn träge anblinzelte. Bugs schien ganz entspannt.
    „Buuuugs schläft hier bei uns. Er ist wiiiirklich liiiieb!“, bekräftigte nun auch Momo, der sich auf seinem Bett herumgerollt hatte. Er war wohl von dem leisen Aufschrei des nächtlichen Gastes wach geworden und rieb sich seine kleinen schwarzen Augen. Ondragon ließ sich in einem adäquaten Sicherheitsabstand zu dem Hund auf der Kante des Bettes nieder und musterte Momo zum ersten Mal aus der Nähe. Unbewusst glich die Zentrifuge alles ab, was er über den zurückgebliebenen Jungen wusste. Sein Erscheinungsbild war das eines buchstäblichen Mondkalbes: treuseliges Donut-Gesicht, ballonförmiger Kopf, runde, fast weibliche Schultern, dickliche Arme und Beine und knollige Füße. Hätte er eine Brille getragen, hätte er ausgesehen wie ein Gary-Larson-Kind.
    Momos Haare waren tatsächlich silbergrau - für einen Dreiundzwanzigjährigen wirklich ungewöhnlich -, aber Ondragon hatte schon mal davon gehört, dass ein traumatisches Erlebnis die Haare eines Menschen schlagartig ergrauen lassen konnte. Momo lächelte ihn dümmlich an und entblößte dabei gelbe Zähne, die schon extrem weit abgeschliffen waren. Wahrscheinlich litt er nachts unter Kieferkrämpfen und mahlte mit unheimlicher Gewalt auf den Zahnstümpfen herum - womöglich auch eine Folge des Traumas in seiner Kindheit. Aber es würde nicht mehr lange dauern, und der erste Wurzelkanal läge offen. Ondragon wollte sich nicht ausmalen, was das für Schmerzen sein mochten. Unterdessen registrierte er, dass der Oberarm von Momo unversehrt war. Er war es also nicht gewesen, der ihn gestern angegriffen hatte.
    „Hör mal, Pete. Ich weiß, dass wir den Wendigo angeschossen haben. Dein Bruder hier hat aber keine Verletzung. Ich glaube also, wir können uns das mit dem … Buch sparen. Momo kann nicht der Wendigo sein.“ In der Hoffnung, hier schnell wieder

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