Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
Vom Netzwerk:
lassen, überlegte es sich jedoch anders. Er würde die Lodge nicht wieder ohne einen Kontakt zur Außenwelt verlassen. Er schob die Schublade mit den Golden Rules darin zu und schnaubte verächtlich, weil ihm plötzlich die Ironie der ganzen Sache bewusst wurde. Das sah Dr. Almighty wirklich ähnlich! Hier in seinem selbstgezimmerten Camelot gab es keine Bibel in den Räumen, dafür aber seine eigens dafür entworfenen und allgeltenden Regeln!
    Ondragon zog sich an und nahm seine Ausrüstung für kleine Einbrüche mit. Auf den Fluren war alles still, und ungehindert gelangte er vor das Büro des Psychotherapeuten im zweiten Stock. Dass er vorsichtig sein musste, erklärte sich von selbst. Auf keinen Fall wollte er einen Rauswurf von Seiten der Klinik riskieren, bevor er dem Doc gründlich die Leviten gelesen hatte. Was danach geschah, konnte ihm egal sein. Er würde dann von selbst gehen.
    Die Tür stellte mit ihrem Zylinderschloss kein großes Hindernis dar. Wie gut, dass Dr. Arthur einen Hang zu den guten alten Dingen hatte. Ein elektronisches Schloss hätte ihn wesentlich mehr Zeit gekostet. Ondragon schloss die Tür leise hinter sich, knipste seine Minidiodenlampe an und sah sich in dem ihm vertrauten Büro um. Alles stand ordentlich an seinem Platz. Vorsichtig bewegte er sich durch den Raum auf den Schreibtisch zu, denn er wusste, dass sich Dr. Arthurs Privaträume direkt über ihm befanden.
    Der Laptop stand zugeklappt auf der Tischplatte, und kurz war Ondragon versucht, ihn einzuschalten, doch dann ließ er davon ab. Was Rudee nicht gelingen konnte, würde er erst recht nicht zustande bringen. Dafür war die Computerhackerei nicht sein Spezialgebiet. Bevor er sich der Schreibtischschublade widmen wollte, musste er noch etwas anders erledigen. Er ging zu dem Aktenschrank hinter dem Schreibtisch, auf dem die Statue der Diana stand, holte seinen Dietrich hervor und öffnete das Schloss der zweitobersten Schublade. Eine Weile glitt sein Blick über die Namen der Karteien. Als er ON-1 gefunden hatte, griff er hinein und fand einen kleinen, harten Gegenstand. Ein Lächeln huschte über seine Lippen und er ließ den Gegenstand in seine Hosentasche gleiten, auch seine Akte musste verschwinden, denn falls die Lodge nach seinem Finale von den Behörden durchsucht werden sollte, durfte nichts über seine wahre Profession ans Licht kommen. Auf die digitalen Vermerke würde er Rudee ansetzten. Er schloss den Aktenschrank wieder und drehte sich zum Schreibtisch um. Mehrmals atmete er tief durch und ging dann in die Hocke, um sich das Schloss der Schublade anzusehen. Auch das war ein antiquiertes Exemplar und sprang eine Nanosekunde später mit einem leisen Klicken auf. Langsam zog Ondragon die Schublade heraus und bereitete sich mental auf den Anblick des Gegenstandes darin vor. Zentimeter für Zentimeter kam das verhasste Ding zum Vorschein: ein sehr altes, in Leder gebundenes Buch. Ondragon fühlte, wie Schweiß auf seiner Kopfhaut ausbrach und wie heißes Öl über seine Schläfen lief. Fahrig wischte er ihn fort, doch sofort lief neuer nach. Und endlich (weil ihm der Ablauf dieses verhassten Schauspiels bereits tausendfach vertraut war) stellte sich auch die wohlbekannte Übelkeit ein, belegte genau den Platz in der Kehle, der direkt unter dem Kehlkopf lag, und drückte langsam zu ...
    In Zeitlupe bewegte Ondragon seine bebenden Hände, die er extra mit Gummihandschuhen geschützt hatte, auf das Buch zu, hielt inne, bewegte sie weiter, stoppte erneut. Kopfschüttelnd sah er auf. Warum tat er das?
    Er schloss die Augen und ballte seine Hände zu Fäusten. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Vor seinem inneren Auge sah er die Angst unaufhaltsam auf sich zugerollt kommen, und fast meinte er, das Beben ihrer mörderischen Kraft unter seinen Füßen zu spüren. Kurz darauf überflutete sie ihn wie ein Tsunami, der einen ungeschützten Küstenstrich verwüstete, riss ihn brutal mit sich. Er konnte nichts dagegen tun, konnte dieser Angst nicht entfliehen. Musste ihren Ansturm und die Erinnerungen, die sie mit sich brachte, ertragen. Während seine Körpertemperatur von kochend zu gefrierend wechselte, immer hin und her, projizierte sein Gehirn von innen stroboskopartig Bilder an seine Lider. Er sah sich selbst in der Bibliothek seines Vaters, sah seinen Vater mit diesem Gesichtsausdruck, den er so sehr hasste, und … ja … auch das Bild seines Bruders - einen kleinen Jungen in grüner Schuluniform, der aussah wie er. Per

Weitere Kostenlose Bücher