Ondragon - Menschenhunger
seine empfindlichen Ohren. Ein Scharren. Und es kam eindeutig von draußen. Jemand war an der Eingangstür. Schnell verschloss Ondragon die Schublade und schlich geduckt um den Tresen herum. Mehrere Atemzüge lang beobachtete er das gläserne Viereck in der oberen Hälfte der Tür. Nichts rührte sich. Die Zentrifuge lief.
Die Ausflugsgruppe mit ihren Pferden war längst wieder zurück, das hatte Ondragon mitbekommen. Von ihnen konnte es keiner sein. Vielleicht war es ein Zweig, der vom Wind draußen an die Hauswand geschlagen wurde. Aber waren auf dieser Seite des Gebäudes überhaupt Bäume? Ondragon versuchte sich zu erinnern. Das Schaben erklang erneut. Diesmal direkt vor der Tür.
In den Schatten des Tresens gekauert, fixierte er das vom Mondlicht beschienene Viereck. Unwillkürlich brach ihm der Schweiß aus. Zum wievielten Male an diesem Tag? Nicht zu fassen, wie ihn dieser Ort aus dem Konzept brachte. Vielleicht sollte er sich das Ganze doch noch einmal gut überlegen. Er war ja bisher trotz seines Problems ganz gut zurechtgekommen.
Plötzlich tauchte ein Schatten in dem Viereck auf, blitzschnell wie ein Zwinkern. Ein Stöhnen erklang und es rüttelte einmal kurz und heftig an der Tür. Adrenalin schoss Ondragon bis in die Fingerspitzen und er duckte sich hinter den Tresen. Dann war alles wieder ruhig. Bemüht seinen Atem kontrollierend wartete Ondragon ab. Was zum Teufel ging hier vor?
War das ein Bär? Oder ein Verletzter, der Hilfe brauchte?
Langsam schob er sich aus seiner Deckung und tastete sich an der Wand entlang auf den Eingang zu. Neben der Tür blieb er stehen und horchte. War da ein schwaches Atmen zu hören? Ondragon besann sich auf seine Coolness. Was sollte da draußen schon Bedrohliches sein? Er trat vor das Glasviereck der Tür und blickte hinaus.
Dort war nichts zu sehen, außer den üblichen Schatten der Nacht. Die Stufen vor dem Eingang waren leer, gleichfalls der Weg zum Parkplatz hinunter. Im Mondschein konnte Ondragon die einzelnen Autos erkennen. Nichts rührte sich zwischen den Bäumen rings um den Parkplatz. Er drückte gegen die Tür. Sie war verschlossen. Das Adrenalin in seiner Blutbahn ebbte ab. Er gewahrte, dass sein Atem gegen die kalte Scheibe schlug und wischte über die Stelle. Bloß keine Spuren hinterlassen. Er warf einen letzten Blick in die Dunkelheit hinaus und wandte sich dann schulterzuckend ab. Wahrscheinlich waren es wieder seine überspannten Nerven gewesen. Der Vorfall am Nachmittag hatte nicht gerade zur Verbesserung seiner inneren Ausgeglichenheit beigetragen.
„Paul Eckbert, du wirst alt. Benimmst dich immer irrationaler!“
Die Eingangstür im Rücken, verließ er die Lobby. Im Flur zu den Freizeiträumen hielt er jäh inne. Da brannte Licht! Vorhin war noch alles dunkel gewesen. Er schlich auf den rötlichen Lichtschein zu, der aus der Tür zur Lounge in den Flur fiel. An der Tür angekommen, spähte er durch den Spalt.
In der gemütlichen Sitzecke neben der Bar saß Hatchet im Licht einer Tiffany-Lampe mit Herbstmotiv und mampfte genüsslich einen riesen Teller Fritten mit Käse überbacken. Ondragon lief bei dem Geruch nach frittierten Kartoffeln das Wasser im Mund zusammen. French Fries waren eines seiner wenigen Laster. Er wusste auch nicht, wieso sämtliche Rezeptoren seines Körpers darauf abfuhren. Magisch zog es ihn in die Lounge. Er öffnete die Tür und bemühte sich, verschlafen auszusehen.
Hatchets Kopf fuhr vom Essen hoch. Wegen der Sonnenbrille konnte Ondragon nicht sehen, was der Typ dachte.
„Hey, Mann, kannste auch nicht pennen? Komm rein!“, lud der Deathmetal-Musiker ihn mit vollem Mund ein. „Auch was von den Fritten?“ Hatchet hielt Ondragon, der sich ihm gegenüber in einen der Sessel setzte, seinen Teller entgegen.
Ondragon griff zu. „Köstlich!“
„Bekomme nachts immer einen tierischen Hunger. Die in der Küche wissen das schon und stellen mir immer was hin. Rein in die Mikrowelle und fertig!“ Er griff eine Pommes vom Teller und steckte sie sich in den Mund. Käsefäden verklebten seinen sorgfältig gestylten Kinnbart. „Hatchet.“ Er streckte Ondragon eine fettige Hand hin.
„Paul.“ Ondragon schüttelte sie.
„Cooles Auto!“
Er runzelte die Stirn, dann begriff er. „Ah, der Mustang. Ja, danke.“ Wenn er gewusst hätte, dass die Karre so viel Aufmerksamkeit erregt, wäre er mit seinem Dienstwagen gekommen, einem etwas unauffälligeren Dodge Magnum. Er nahm noch eine Pommes.
Dank seiner
Weitere Kostenlose Bücher