Ondragon - Menschenhunger
…“
Während sich die beiden Akademiker weiterstritten, läuteten bei Ondragon gleich mehrere Glocken. Hatte Miss Wolfe nicht gestern erst von einem menschenfressenden Monster gesprochen? Ihrer Beschreibung nach war der Wendigo ein Mensch, der sich in eine Art Kannibalenwerwolf verwandelte. Zum Glück war das bloß ein Märchen - wenn auch ein gutes, musste er zugeben. Aber da war noch etwas anderes, das im Zusammenhang mit Kannibalismus gestanden hatte. Nur, was war das gewesen? Ondragon wollte es nicht einfallen.
Unterdessen stänkerte Dr. Schuyler weiter: „Ich glaube, Sie wollen der Wahrheit nicht ins Gesicht blicken, Dr. Layton! Denn dann müssten Sie zugeben, dass Ihre Kuschelbären, gar nicht so kuschelig sind, sondern reißende Bestien!“
„Nun machen Sie aber mal halblang! Wenn hier gleich jemand zur Bestie wird, dann bin ich das, weil ich mir Ihr unsachliches Gelaber nicht mehr länger anhören kann!“ Die Verhaltensforscherin zeigte ihrem Kontrahenten ihre kräftigen Zähne, doch bevor der Pathologe auf die Beleidigung kontern konnte, ging die Tür auf und Deputy Hase kam herein. Die Diskussion verstummte.
„Guten Morgen“, brummelte der Hilfssheriff und gab Ondragon nur widerstrebend die Hand.
Heute schien sein Gesicht noch wunder zu sein von dem Bestreben, die wenigen Haarstoppeln zu rasieren, die aus seiner rosigen Haut sprossen. 25 Jahre, nicht älter schätzte er ihn. Und vor so einem Bauerntölpel sollte er Respekt haben?
„So, dann wollen wir mal hören, was unser … Zeuge hier zu sagen hat“, ergriff Hase das Wort und gab Ondragon ein Zeichen, zu sprechen.
Als dieser anschließend die Erlebnisse von seiner Joggingrunde berichtete, beobachtete er aufmerksam die Reaktionen auf den Gesichtern der Anwesenden. Dr. Schuylers Miene wirkte immer zufriedener, während Dr. Laytons Ausdruck von belustigt zu ungläubig wechselte.
„Sehen Sie, das ist der Beweis!“, rief die Verhaltensforscherin aus, nachdem Ondragon seinen Bericht beendet hatte. „Das war kein Bär!“
„Und weshalb nicht?“, stichelte Dr. Schuyler.
„Weil ein Bär niemals einen Menschen verfolgen würde, der jede Menge Lärm macht! Das passt nicht in sein natürliches Verhalten.“
„Aha.“ Schuyler lachte amüsiert. Das Licht der Deckenlampen wurde von seinen Brillengläsern reflektiert, als er sich an Ondragon richtete. „Und, was sagen Sie dazu?“
„Ich? Tja, ich habe weder Ahnung von Bären noch von Spurensicherung.“ Das Erste stimmte, das Zweite nicht, aber das mussten diese beiden Streithähne nicht wissen, genauso wenig, dass am Tatort ein Netz über den Weg gespannt gewesen war. „Und ich habe das Tier nicht gesehen, das mich verfolgt hat, deshalb möchte ich mich dazu nicht äußern. Ich hoffe, Sie haben dafür Verständnis.“
„Wie diplomatisch von Ihnen, Mr. Ondragon.“ Deputy Hase lächelte dünn. „Aber da wäre noch etwas, das uns bereits gestern aufgefallen ist, als Dr. Schuyler und ich den Tatort untersucht haben. Das Gestrüpp, in dem wir die Leiche gefunden haben und durch das Sie gemäß Ihren Angaben hindurchgerannt sind, ist ziemlich hoch und befindet sich wie eine dichte Wand aus Ästen zu beiden Seiten des Weges.“
Ondragon nickte. Er wusste nicht, worauf der Deputy hinaus wollte.
„Warum sind Sie nicht einfach auf dem Weg geblieben, als sie vor dem Bären geflüchtet sind? Warum sind Sie mitten durch das unwegsame Gestrüpp, wo Sie doch leicht über den Weg hätten entkommen können?“
Der Provinz-Bulle war nicht auf den Kopf gefallen. Aber dieser Art von Bauernschläue war er allemal gewachsen. Ondragon räusperte sich und spielte den Verlegenen. „Tja, es ist so, ich komme aus der Großstadt und mit Natur habe ich normalerweise nichts am Hut. Bevor ich um den See gejoggt bin, habe ich den Gärtner Frank getroffen, und der hat mir erzählt, es gebe hier Bären und ich solle vorsichtig sein. Außerdem ist da noch ein Schild, auf dem bear‘s den steht. Als ich dann die Geräusche hinter mir hörte, dachte ich, es wäre ein Bär, und ich geriet in Panik. Ich habe mich in das Gestrüpp geschlagen in der Hoffnung, dass der Bär mich dort nicht findet. Das war natürlich naiv von mir, aber“, er hob beide Hände, „das war meine erste Begegnung mit der hiesigen Tierwelt.“ Er lachte beschämt.
Dr. Layton nickte mit strenger Miene, aber sie schien ihm seinen unqualifizierten Verdacht gegen ihre geliebten zu groß geratenen Teddybären zu verzeihen. „Der bear‘s den“
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