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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
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Wasser schoss ihm in die Mundhöhle.
    Fleisch!, dachte er, als er seinen Freund betrachtete. Hunger! Ich habe solchen Hunger! Was soll ich nur tun? Ich will Fleisch! Parker schluckte, doch der Speichel rann ihm aus dem Mundwinkel wie bei einem senilen Greis. Seine Zunge war angeschwollen wie eine Kartoffel und hinderte ihn am Sprechen.
    Mit aller Macht wandte er seinen brennenden Blick von seinem Freund ab und setzte sich vorsichtig auf. Seine Knochen bissen wie gefrorenes Eisen in seine Muskeln. Dass Schnee um ihn herum lag, spürte er kaum. Im Gegenteil, er kam ihm vor wie ein Bett aus warmer Watte. Langsam erhob er sich, jede Bewegung wurde mit Tausend Nadelstichen bestraft, seine unförmigen Klumpfüße waren eine glühende Masse aus Schmerzen. Doch noch schlimmer war das Gefühl in seinem Bauch! Schwindel erfasste ihn und er verharrte. Parker hatte schon oft Hunger gelitten, doch das, was er jetzt fühlte, war mit nichts zu vergleichen. Es zehrte ihn von innen her auf, so als ernähre sich sein Magen von seinen eigenen Eingeweiden und riss Stück für Stück heraus. Parker krümmte sich. Es war entsetzlich, der Drang, sich auf seinen schlafenden Freund zu werfen und einfach seine Zähne in sein saftiges, warmes Fleisch zu schlagen. Zudem hörte er plötzlich eine Stimme, die mit ihm sprach.
    „Isssss dich ssssatt!“, zischelte sie wie eine Schlange. „Issss, und komm sssszu mirrrr! Mein Sssssohn. Ich warrrte auf dich!“
    Kamen die Worte aus seinem Kopf? Oder von dort drüben aus dem Wald? Parker sah sich um. Die Soldaten schliefen, und die Pferde dösten. Er untersuchte die leuchtenden Konturen des Waldes. Baumstämme verursachten ein senkrechtes Muster aus schwarzen und orangerötlichen Streifen. Tannen und Gestrüpp glühten wie ein bunter Strauß aus Farben, ganz so als stünden sie in Flammen. Dazwischen hockten dunkle Flecken, in denen es kein Leben zu geben schien. Aber was war das? Dort hinten leuchtete etwas grellweiß wie ein Stern. Zuerst rührte es sich nicht, aber dann bewegte es sich, tanzte wie ein Irrlicht hoch oben in den Bäumen von Ast zu Ast. Parker spürte einen Windhauch auf den Wangen, dass er eisig war, fühlte er jedoch nicht.
    „Issss! Und dann komm! Komm!“
    Parker spürte eine seltsame Macht von diesem Licht ausgehen. Es wurde immer größer und nahm allmählich Gestalt an. Magisch zog es ihn dorthin.
    „Ja, ich komme“, antwortete er, und ehe er etwas dagegen unternehmen konnte, gingen seine klobigen Füße wie von selbst in den Wald hinaus, direkt auf die Stimme zu. Er spürte keine Schmerzen mehr. Die Gestalt vor ihm wuchs in die Höhe, bekam lange Gliedmaßen, die Vorderläufe länger als die Hinterbeine. Das Gesicht war in den Schatten verborgen, und nur die Augen glühten rot. Ein Gestank wie aus der Hölle drang scharf in seine Nase. Das Wesen war so groß wie ein Baum und in einen hellen Lichtkranz gehüllt, kalte Energie. Schwankend stand es vor ihm mit seinen haarigen Schultern. Das Böse!
    Parker spürte Angst in sich aufsteigen.
    Er wollte schreien, doch seine Zunge verstopfte ihm seine Kehle.
    Nein, ich will nicht‘, schrie stattdessen sein Verstand! Lass mich!
    Doch das Wesen kannte kein Mitleid, nur Einsamkeit und Hunger, nicht enden wollender Hunger!
    Langsam beugte es seinen massigen Kopf zu Parker hinab. Der Gestank wurde unerträglich und nahm ihm beinahe die Besinnung. So musste der Tod riechen. Der Tod, der ihm seinen fauligen Atem entgegenblies. Hoffentlich würde er sich beeilen. Denn Parker wollte seine Qualen keinen Herzschlag länger mehr ertragen. Er war bereit zu sterben, so wie er es bei ihrer ersten Begegnung gewesen war.
    „Töte mich, wenn es dir gefällt, aber ich werde niemals ein Kind den Bösen werden!“ Parker breitete die Arme aus und erwartete die Leere.

15. Kapitel

    2009, Moose Lake, Cedar Creek Lodge

    Ondragon erwachte aus dem Traum, noch bevor sein Wecker klingelte. Es war seltsam. Warum träumte er mitten im Sommer von einem verschneiten Wald und einer Horde schmutziger Männer in antiquierten Uniformen? Er setzte sich auf. Das blass graue Licht des frühen Morgens fiel in sein Zimmer, und durch den Vorhangschlitz konnte er die tiefhängenden Wolken am Himmel erkennen. Es schien noch immer zu regnen. Toll!
    Um 7.30 Uhr saß er allein an seinem Tisch beim Frühstück und um acht Uhr hatte er es beendet, gerade in dem Moment, als Sheila den Raum betrat und auf ihn zusteuerte.
    „Mr. Ondragon, Deputy Hase wartet oben im zweiten

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