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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
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„Die Irokesen galten als besonders grausam. Die Anishinabe dagegen haben die Praxis des Kannibalismus‘ stets verurteilt und sich davon distanziert. Bei uns heißt es: Isst jemand Menschenfleisch, wird er zu einem Monster. Ein Geschöpf, das im Wald haust und immer Hunger leidet, also immer weiterfressen muss. Dieses grausame Wesen steht für Völlerei und Gier. Lieber würde ein Anishinabe sterben, als einen anderen Menschen essen! Aber der Wendigo ist ein Teil unserer Mythologie. Wir fürchten ihn wie einen Gott und bezeugen ihm unseren Respekt. Natürlich versuchen wir, ihm aus dem Weg zu gehen, denn, wer den Weg eines Wendigo kreuzt, der läuft Gefahr, selbst einer zu werden. Es kann jedem passieren, der allein durch den Wald läuft.“
    „Und wie sieht das … äh, Ding aus? Wie ein Bär?“
    „Nein, eher wie eine große Katze auf langen Beinen. Er trägt ein struppiges Fell an seinem langen, ausgezehrten Körper. Ausgezehrt ist er, weil er fressen kann, was er will, aber niemals satt wird. Und in seinem Maul hat er scharfe, gelbe Zähne und eine unnatürlich lange Zunge. Aber er kann auch andere Gestalten annehmen, zum Beispiel die eines riesigen Eisskelettes. Er ist nämlich ein Gestaltwandler.“
    „So wie der Werwolf? Ich meine, ist es ein Mensch, der sich bei Vollmond verwandelt oder ist er immer ein Monster?“
    „Nein, er vermag auch in Menschengestalt herumzulaufen. Aber ich denke, mit einem Werwolf kann man ihn am Ehesten vergleichen, nur dass er sich nicht bei Vollmond verwandelt. Er kann es, wann immer er will. In seiner Menschenform ist er an seinen leuchtend roten Augen zu erkennen und an seinem Herz aus Eis. Ach, und ich vergaß seine Füße, die sind dick und unförmig, ohne Zehen. Und sie brennen ihm immerzu, so dass er ganz unruhig ist. Besonders in windigen Nächten muss man auf der Hut sein, dann reist er mit dem kalten Nordwind, und eine heftige Bewegung in den Baumwipfeln heißt nicht, dass der Wind in sie gefahren ist!“ Kateri machte eine Pause und sah Ondragon eindringlich an. In diesem Moment wirkte sie unwiderstehlich anziehend. Ihre Lippen glänzten, und auf ihren Wangen lag eine erregte Röte.
    „Was ist?“, fragte sie, als sie seinen Blick registrierte.
    „Hmm. Wie war das? Wie wird man zu dem Monster?“
    Sie beugte sich vor, bis ihre Lippen nicht mehr weit von seinem Ohr entfernt waren.
    „Wenn man Menschenfleisch isst oder von einem Wendigo gebissen wird. Manchmal reicht es auch, wenn man von ihm träumt.“
    Ondragon roch den Hauch ihres Parfüms. Es war zu verlockend. Er wandte seinen Kopf ein wenig und küsste sie auf die warme, weiche Halsbeuge.
    Kateri schien nicht überrascht. Langsam rückte sie von ihm ab und sah ihn an. „Ich muss Sie warnen, Paul, ich bin eine Verrückte“, flüsterte sie.
    „Und weshalb bin ich wohl hier und suche den Rat von Dr. Arthur?“, fragte er grinsend zurück.
    „Sie leiden an einem weit kleineren Problem als ich. Glauben Sie mir, es ist besser so. Es tut mir leid, ich gehe jetzt ins Bett. Ich bin müde.“ Ihre Augen blickten kurz in die seinen und sagten etwas ganz anderes.
    Zu dumm, dass sie hier in aller Öffentlichkeit waren, wenn es auch nur der eingeschränkte Kreis der Lodge war, aber die Golden Rules machten in dieser Hinsicht eindeutige Angaben: Keinen sexuellen Kontakt zum Personal oder zu anderen Patienten!
    Kateri glitt von ihrem Barhocker. „Auf Wiedersehen, Paul. Bis morgen und träumen Sie mir nicht vom Waldmonster.“ Sie zwinkerte ihm zu und verließ die Lounge.
    Seufzend sah Ondragon ihr hinterher. Nach wenigen Minuten stellte er sein Glas auf die Theke.
    Zur Hölle mit den Golden Rules !
    Er stand auf und folgte Miss Wolfe.
    Hinter ihm grinste Hatchet breit.

14. Kapitel

    1835, Kabetogama, im Wald 40 Meilen südöstlich von Fort Frances

    Wo bin ich? Parker schlug die Augen auf. Er hatte fürchterlichen Hunger! Sein Magen fühlte sich an wie eine Grube voller Ratten, die sich durch seinen Bauch fraßen. Von Schmerzen geplagt drehte er sich auf seinem Lager um. Obwohl es dunkel war, konnte er ausgezeichnet sehen. Alles Lebendige hatte einen leuchtenden Umriss und glomm beinahe unheimlich in der Nacht, die Bäume, die Soldaten, die Pferde. Auch Lacroix, der neben ihm lag, war von einer rötlichgelben Korona eingehüllt. Parker stellte fest, dass sie sich noch immer in der Gesellschaft der Soldaten befanden, die ein Nachtlager aufgeschlagen hatten und schliefen.
    Wieder rumpelte es in seinem Magen, und das

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