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Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)

Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Strohmeyer
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sammelte seine Sachen ein und ging zurück zur Bergstation.
    Auf der Fahrt nach unten stützte er seinen dröhnenden Kopf in eine Hand und schielte unter der Krempe seines Hutes hervor auf die vorbeiziehende Landschaft. Um sich von den Schmerzen abzulenken, betrachtete er die Farben, die es hier oben gab. Geröll, so hell und ausgeblichen wie Knochen, wechselte sich ab mit grünlich kargen Grasflächen. Hier und da waren die kräftigen Farbtupfer von Gebirgsblumen zu erkennen. Ein zartes Rosa, ein kräftiges Gelb und ein feuriges Rostrot.
    Rostrot? Philemon schreckte aus seiner Betrachtung auf. Waren das nicht auch die Haare von Myers? Hastig suchte er die Umgebung ab. War dort drüben nicht eine Bewegung zu sehen? Dort im Dickicht aus verkrüppelten Weißkiefern?
    Nur wenig später konnte Philemon es sehen. Es war aus dem Dickicht getreten und sah sich schreckhaft um.
    Ein Dickhornschaf mit seinem Jungen.

40. Kapitel

    28. Mai 2011 Casablanca, Marokko 10.05 Uhr

    Ondragon war sich bewusst, dass ihn gleich mehrere Gründe in die Wüste trieben. Für sich selbst wollte er die Möglichkeit ergreifen, dieses selten knifflige Rätsel zu lösen. Für den BND galt es, Pandora zu beschaffen (was ja letztendlich auch wieder für ihn selbst war, denn er wollte ja die Akte), und Charlize hatte er versprochen, in ihrem Namen Rache zu üben! Das waren drei gute Motive, doch das erste, das musste er zugeben, war immer noch das stärkste. Seine Neugier war nun mal seine Natur und dagegen konnte er nichts tun.
    Da für eine ungewisse Zeit lang Warten angesagt war, verbrachte er den zweiten Tag in Casablanca damit, sich tiefer in die Stadt hineinzufühlen. Er wollte sie mit allen Sinnen erfassen. Schnell stellte er fest, dass er sich hier wohlfühlte. In diesem Fall aber nicht nur weil er beide Landessprachen beherrschte, sondern auch weil er es schaffte, sich mit seiner europäischen 1,90-Gestalt in das marokkanische savoir-vivre einzugliedern, ohne dass jemand Notiz von ihm nahm. Während er durch die Straßen flanierte, wurde er zu einem von vielen. In Wirklichkeit war er nichts weiter als ein Chamäleon, das die Kunst der Täuschung beherrschte und aus der Deckung heraus heimlich seine Umgebung beobachtete. Es gab nur noch einen Ort auf der Welt, außer der Stadt, mit dem er ebenfalls verschmelzen konnte. Die Wüste.
    Ondragon winkte sich ein Taxi herbei und ließ sich in die Altstadt fahren. Er hatte am Vortag bereits alles an Ausrüstung besorgt und konnte sich heute in Ruhe treiben lassen. Er betrat die Medina durch den großen Torbogen an der Avenue des F.A.R. und schlenderte gemächlich über den Basar. Der war enttäuschend schäbig und in nichts mit dem wundervollen Khan el-Khalili Basar in Kairo zu vergleichen, auf dem er als Zehnjähriger herumgestreunt war und sein Taschengeld verprasst hatte – natürlich ganz zum Ärger seines Vaters. Er verdrängte den Gedanken an seinen alten Herrn und besah sich eher lustlos die Waren der Händler. Bei einem touristisch herausgeputzten Stand mit Lampen aus buntem Glas kaufte er ein bezauberndes Exemplar für Charlize. Sie liebte diesen orientalischen Kitsch und würde sich über dieses Mitbringsel freuen.
    An einer besonders belebten Ecke mit einem winzigen Café und Nippesläden blieb er stehen und betrachtete amüsiert das Treiben der feilschenden Händler mit den hilflos gestikulierenden Touristen. Dabei fiel ihm an einem Gewürzstand plötzlich eine Frau ins Auge. Es war die brünette Dame aus der Jazz-Bar. Den ganzen Abend über hatte er sie mit heimlichen Blicken bedacht, sie aber nicht angesprochen. Sie hatte ein paar Mal zu ihm hinübergeschaut, aber mit keiner Regung verraten, ob sie ihn wahrgenommen hatte. Auch ihr Begleiter vom Vorabend war wieder bei ihr. Ganz dicht stand er hinter ihr, so als wolle er sie beschützen. Allerdings machte die Frau nicht den Eindruck, als müsse man sich um ihre Sicherheit sonderlich Sorgen machen. Sie besaß eine recht robuste und wehrhafte Ausstrahlung, was Ondragon sofort gefiel. Er hatte die beiden vergangenen Abend ganz genau beobachtet und versucht einzuschätzen, was sie hier in Casablanca trieben. Heimliche Beurteilungen von Menschen waren sein liebster Zeitvertreib und ein gutes Training zur Verfeinerung seiner Menschenkenntnis. Er beherrschte diese Kunst beinahe bis zur Perfektion und lag mit seinen Einschätzungen fast immer richtig. Fast immer, das hieß in 98 Prozent der Fälle. Zu seinem großen Leidwesen versagte seine

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