Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
der Kerl von der Bildfläche.
„Zielperson im vierten Gebäude!“, sagte Kubicki.
Wachsam lief Ondragon zu der Stelle und sah in ein schwarzes Loch hinab; eine offene Treppe, die nach unten führte. Er hatte jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder er folgte dem Kerl und riskierte es, dass der ihm dort unten irgendwo auflauerte und auf ihn schoss, oder … ach, scheiß auf die zweite Möglichkeit! Ondragon zog den Kopf zwischen die Schultern und stürmte mit der Waffe im Anschlag die Treppe hinunter. Im ersten Flur verharrte er für ein paar Sekunden, damit seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen konnten. Von unten her vernahm er hastige Schritte im Treppenhaus. Monsieur Noire bewegte sich äußerst unbedacht und machte Krach für zehn! Schnell hängte sich Ondragon an seine Beute und nahm mehrere Stufen auf einmal. Zwischendurch hielt er immer wieder kurz inne und horchte mit angehaltenem Atem ins Treppenhaus. Er hörte, wie unten eine Tür aufgerissen wurde, nahm die letzten beiden Treppenabsätze und hielt nach Luft pumpend vor einer Ecke an, um sich zu vergewissern, dass sein Gegner dort nicht auf ihn wartete. Doch der kurze Korridor zur Haustür war leer. Ohne zu zögern sprang Ondragon zur Tür hinaus und blickte sich auf der Straße um. Sie war ebenfalls vollkommen leer. In der Ferne erschien Achille, er war wohl einmal um den Block gerannt und kam nun auf ihn zu.
„Wo ist er?“, fragte Ondragon Kubicki am Telefon.
„Keine Ahnung“, antwortete dieser. „Wir haben niemanden das Haus verlassen sehen!“.
„Scheiße!“ Ondragon gab Achille das Zeichen umzudrehen und lief selbst zurück in das Gebäude. So leise wie möglich betrat er das Treppenhaus und wartete darauf, dass ein Geräusch verriet, wo der Kerl sich versteckt hielt. Monsieur Noire spielte Katz und Maus mit ihnen und lief kreuz und quer durch den Häuserblock. Doch dieses Spiel beherrsche Ondragon mindestens genauso gut.
Wie ein Jagdhund, der eine Fährte aufnahm, pirschte er durch den untersten Flur und schnüffelte in sämtliche Ecken und Nischen. Er nahm nicht an, dass der Kerl nach oben geflohen war. Das Dach hatte er schon einmal benutzt und festgestellt, dass es nicht wirklich eine Flucht-Option darstellte. Wenn er sich in diesem Gebäude aufhielt, dann hier unten in einer der vier Wohnungen.
Ondragon schlich zu der ersten Tür, legte behutsam sein Ohr an das Holz und versuchte, mit den Fingerspitzen vorhandene Schwingungen zu ertasten. Doch alles, was sein sechster Sinn hinter dieser Tür wahrnahm, war geschäftiger Alltag. Töpfeklappern in der Küche und Kindergequengel im Wohnzimmer. Er ging zur nächsten Tür. Hier herrschte die absolute Stille einer verlassenen Wohnung. Niemand zu Hause. Hinter der dritten lief im Fernsehen eine arabische Doku-Soap und hinter der letzten sprach laut eine Frau. Sie lachte, wahrscheinlich telefonierte sie mit einer Freundin. Ondragon runzelte die Stirn und kehrte schließlich zurück zu der Tür mit der Stille. Erneut legte er ein Ohr daran. Die Stille klang durchdringend, beinahe erstickt und aufgeladen mit Energie. Unter seinen Fingerspitzen kribbelte es. Er ließ von der Tür ab, hob seine Waffe und trat einen Schritt zurück.
Bin schon da!, dachte er mit einiger Schadenfreude und feuerte auf die Tür. Das Schloss zerbarst und mit einem einzigen Tritt war die Tür offen. In der besten Manier einer Razzia-Spezialeinheit lief Ondragon durch die Wohnung und kontrollierte jeden Raum. Im Wohnzimmer fand er eine auf dem Boden kauernde Frau, die vor Angst zitterte. Aus den Augenwinkeln gewahrte er eine Bewegung auf dem Balkon und schoss ohne zu Zögern durchs Fenster. Glas splitterte und ein Schrei ertönte. Ein Schatten fiel in die Tiefe. Ondragon eilte auf den Balkon und schaute über die Brüstung. Etwa drei Meter weiter unten lag der Kerl mit dem Gesicht nach unten auf dem Asphalt und stöhnte. Blut lief aus einer Wunde am Rücken. Seine Waffe hatte er verloren, sie lag einige Schritte von ihm entfernt auf der Straße. Achille stand neben ihm und hielt seine Pistole auf ihn gerichtet. Schon blöd, wenn man Katz und Maus mit zwei Katzen spielte.
Mit einem triumphierenden Grinsen stieß sich Ondragon vom Balkongeländer ab und rannte hinunter auf die Straße. Dort beugte er sich über den Kerl und drehte ihn um. Das anfängliche Hochgefühl blieb ihm jäh im Halse stecken, als er erkannte, wen sie da gestellt hatten. Es war nicht Monsieur Noire, sondern bloß ein junger Mann, der ihm
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