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Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)

Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Strohmeyer
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versucht hatte zu verdrängen. Wie bei einer Laterna magica erschienen vor seinem inneren Auge die Bilder jener verhängnisvollen Nacht in New Haven. Zu dritt waren sie in das Labor der Universität eingedrungen. Elias, Robert und er; Studenten der Elektrotechnik, voller Flausen im Kopf und ausgestattet mit der Überheblichkeit der Jungend, obendrein noch stolze Mitglieder der Studentenvereinigung Chi Psi. Robert war es, der den Mut aufbrachte und sich auf die Metallplatte stellte, die Philemon konstruiert und mit der großen Spule verkabelt hatte. Und auf Roberts Signal hin legte er den Schalter um. Mehrere tausend Volt flossen über Roberts Körper und Funken schossen aus seinen Händen, genau wie in der legendären Vorführung des berühmten Nikola Tesla, dem sie damals alle hatten nacheifern wollen. Noch hatte Robert, umgeben von einer blauen Korona aus kleinen Blitzen, gelächelt, noch hatten sie alle gelächelt. Doch dann ertönte ein lauter Knall und mit ihm löste sich eine Funkenentladung aus der Spule. Warum sie die Spule direkt neben die Metallplatte gestellt hatten, wusste Philemon nicht mehr. Es war jedenfalls ein großer Fehler gewesen. Der Blitz, der so plötzlich entstanden war, traf Robert im Gesicht. Mit einem Schrei fiel er von der Platte und wälzte sich auf der Erde. Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg ihnen in die Nase … und plötzlich fühlten sie sich nicht mehr wie Götter. Mit Schrecken schauten sie auf den schreienden Robert herab, auf dessen qualmende Haare und das Blut an seinen Händen, die er vor das Gesicht geschlagen hatte. Ihr Glück im Unglück war es, dass der Pedell der Fakultät die Schreie hörte und sofort Hilfe holte. Deshalb kam Robert mit dem Leben davon. Sein Gesicht hingegen war auf ewig eine grauenerregende Maske aus geronnenem Gewebe und erblindeten Augen. Ein Monster, bei dem alle unwillkürlich die Luft anhielten, wenn es den Raum betrat.
    Aber der Vorfall hatte auch für sie harte Folgen. Von Seiten der Universität verlangte man eine Erklärung, die alle drei verweigerten, weil sie sich an den Kodex ihrer Studentenverbindung hielten. Der Kodex war der ganze Stolz von Chi Psi und schrieb vor, für immer zusammenzuhalten; wahre Gentlemen, die zu ihrem Wort standen, selbst wenn der Teufel persönlich sie in die Versuchung des süßen Verrats führen sollte. Doch Chi Psi sah das in diesem Falle anders und verstieß die drei Unruhestifter aus seinem schützenden Kreis. Auch die Universität zeigte sich unerbittlich. Sie suspendierte die jungen Männer von den Vorlesungen. Für Philemons Eltern war dieser Vorfall eine Schande, der sie vor allen anderen angesehenen Familien in ihrer Nachbarschaft bloßstellte, und sie schickten ihren missratenen Sprössling in die Schweiz mit der Ausrede, er laboriere an einem Lungenleiden. Nach einem Jahr Buße überzeugten seine Eltern den Dekan der Universität von Philemons Läuterung, und es wurde ihm gestattet, sein Studium fortzusetzen. Von den dreien, die an dem unglückseligen Experiment teilgenommen hatten, war er der Einzige, der einen Abschluss machte. Elias kehrte nie wieder an die Universität zurück. Stattdessen wurde er Angestellter bei der General Electric Company und heiratete ein hübsches Mädchen aus New York. Bis heute war er Philemons einziger echter Freund. Robert hingegen sah keinen Sinn mehr im Leben und erhängte sich ein Jahr später in seinem kleinen Appartement.
    Betrübt schaute Philemon nun zu Dr. Tesla auf. Das war sie nun, seine ganze traurige Geschichte. Natürlich hatten der Doktor, Löwestein und Czito sie bereits gekannt, bevor er nach Colorado Springs gekommen war. Das war seine ‚spezifische Qualifikation‘ gewesen. Er seufzte und ließ den Kopf hängen. Schwere Schuldgefühle überkamen ihn und drückten ihn zu Boden. Nein, tiefer als das. Sie drückten ihn auf den Grund des Meeres hinab, gossen Blei über seine Füße und hielten ihn dort gefangen, wo der Druck am höchsten war. Er war tot. Lebendig begraben. Und er wünschte sich, er hätte einen Strick wie Robert.
    „Aber was ist mit Ihnen?“, fragte der Doktor gutmütig. „Es gibt doch keinen Grund, zu verzweifeln, Mr. Ailey. Geben Sie sich nicht auf. Setzen Sie sich mit uns an diesen Tisch und hören Sie sich an, was ich zu sagen habe. Ich verspreche Ihnen, dass es nichts ist, womit Sie Ihr Gewissen noch weiter belasten.“ Tesla sah ihn auffordernd an und streckte langsam einen Arm in Richtung des Tisches aus.
    Philemon zögerte.

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