Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
Philemon hatte so etwas bereits vermutet. Sein Verdacht fiel sofort auf die General Electric Company von Thomas Edison, Teslas erbittertstem Gegner.
„Es war die R. E. Olds Motor Car Company!“, flüsterte der Telegraphist hingegen und sah sich nervös um. Aber auf der nächtlichen Straße war niemand zu sehen.
Philemon runzelte die Stirn. Was hatte ein Autofabrikant mit Dr. Tesla zu tun? Oder mit dessen Arbeit? Nun, das würde er zu einem anderen Zeitpunkt noch herausfinden können, jetzt aber musste er dringend zurück ins Hotel! „Haben Sie vielen Dank für Ihr Vertrauen, Joe“, sagte er freundlich und lüpfte seinen Hut. „Aber ich muss jetzt weiter. Wünsche eine geruhsame Nacht … oder genehmigen Sie sich jetzt noch einen von Buddhas Träumen?“ Er zwinkerte dem Telegraphisten zu und nickte in Richtung des Eingangs zur Opiumhöhle.
Herkimer lachte und zog entschuldigend beide Hände aus den Manteltaschen, dabei fiel eine kleine Karte heraus und segelte zu Boden. Herkimer wollte sich bücken, doch Philemon war schneller. Er warf einen flüchtigen Blick auf die Karte und stutzte.
„ We never sleep “, las er laut vor. „Pinkerton‘s National Detective Agency.“ Mit fragender Miene sah er den Telegraphisten an.
„Ach, die muss ich noch von diesem Kerl haben. Sie wissen schon, der mich ausgefragt hat. Geben Sie mal her, eigentlich brauch ich die ja nicht mehr.“ Herkimer pflückte ihm die Karte aus der Hand, riss sie rasch in winzige Schnipsel und warf diese anschließend mit einem unbekümmerten Schulterzucken hinter sich aufs Pflaster. „Hätte ich längst machen sollen. Schnee von gestern. Gehaben Sie sich wohl, Phil, und bis zum nächsten Mal.“ Er wandte sich um und ging durch die Toreinfahrt auf den Hinterhof. Als er fort war, bückte Philemon sich und hob ein paar der Schnipsel auf. Er versuchte sie zusammenzusetzen, doch Herkimer hatte ganze Arbeit geleistet, der Name, der auf der Rückseite stand, war nicht mehr zu entziffern.
Gedankenvoll schaute Philemon eine Weile auf die Schnipsel, dann ließ er sie auf die Straße fallen und setzte seinen Weg zum Hotel fort. Als er wenig später auf seinem Zimmer im Alta Vista ankam, schloss er schnell die Tür ab und öffnete den Kleiderschrank. Endlich konnte er nachschauen, was ihn schon den ganzen Rückweg über beschäftigt hatte. Er holte den Zettel von Myers aus der Kleiderstange, strich ihn auf der Platte des kleinen Sekretärs glatt und starrte auf die Notizen. Es war, als trüge er eine magische Brille, denn plötzlich verstand er all das, was Myers dort aufgezeichnet hatte, welchen Gedanken er versucht hatte festzuhalten.
Philemon sah auf die Zahlen der Berechnung, auf das Ergebnis mit den vielen Ausrufezeichen. Es war kein in sich geschlossener Kreislauf, wie Maxwell, Helmholtz und all die anderen gewichtigen Männer der Wissenschaft es behaupteten! Ganz entgegen ihrer Proklamation gab es da noch etwas anderes. Ein offenes System. Offen für Energie aus dem Äther! Es war fantastisch! Beinahe zu fantastisch, aber Philemon wusste, dass es wahr werden konnte. Mit Dr. Teslas Erfindung! Und die Gleichung von Frederick Myers war der Beweis dafür. Jedoch nur für denjenigen, der gewillt war, sich von den allgeltenden Gesetzen der Physik zu lösen. Und wer sollte das schon sein? Wer von den großen Herren der Wissenschaft war bereit, seinen Ruf und sein Renommee zu riskieren, um etwas Neues zu erschaffen? Der Doktor war es jedenfalls. Und er, Philemon, auch!
Entschlossen faltete er den Zettel von Myers zusammen und steckte ihn in seine Hosentasche. Egal, was die anderen Leute hinter ihrem Rücken über sie reden mochten, er war bereit, der Unbelehrbarkeit die Stirn zu bieten. Gemeinsam mit Dr. Tesla, Mr. Czito und Mr. Löwenstein würde er sich ein Herz fassen und allen Widrigkeiten trotzen, die da noch auf sie zukämen!
55. Kapitel
02. Juni 2011
in der Wüste am Nachmittag
Ondragon öffnete die Augen und fühlte schlagartig Schmerzen. Die Sicherheitsgurte hatten zwar gehalten, schnitten ihm aber tief ins Fleisch an Brust und Hals. Vorsichtig schnallte er sich ab, drehte seinen Kopf und befühlte den Rest seines Körpers. Es schien noch alles dran zu sein. Er wandte sich zu Achille, der noch immer bewusstlos in seinem Sitz hing, und tastete nach seinem Puls. Das Herz des Franzosen schlug langsam, aber gleichmäßig. Erleichtert beugte Ondragon sich vor und sah nach, ob Achille verletzt war. Bis auf eine stark blutende Platzwunde an
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