Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
zu Schaden gekommen?“ Philemons Blick huschte hin und her. Wo war Tesla? War er nicht hier gewesen, als das Feuer ausbrach, in seiner Kammer?
„Nein, soweit wir wissen, ist niemand verletzt worden“, antwortete der Konstabler. „Das Labor war verschlossen, als wir und die Feuerbrigade eintrafen. Niemand war drinnen.“
Philemon strich sich fahrig über den Schnurrbart und schaute erneut zu den schwarzen Dachbalken hinauf. „Danke“, sage er dann und lief rasch in das Gebäude.
„Seien Sie vorsichtig, es könnte einstürzen!“, rief der Konstabler ihm noch hinterher, aber Philemon kümmerte sich nicht darum. Suchend sah er sich im Inneren des Labors um. Sämtliche Apparaturen waren mit Ruß überzogen und die Kabellagen an den Wänden verschmort. Das Feuer musste sich vom Dach her ausgebreitet haben, schien aber rechtzeitig gelöscht worden zu sein, bevor es auf die komplette Einrichtung hatte übergreifen können. Philemon schaute hinauf in den grauen Himmel, der durch die Dachbalken zu sehen war.
„Doktor? Löwenstein? Czito? Wo sind Sie?“ Er lief zu dem kleinen Studierzimmer. Doch auch dort war niemand. Die komplette Einrichtung lag kreuz und quer verstreut. Die Notizbücher des Doktors und seine gesamten Arbeitsmaterialien. Es sah aus, als hätte jemand etwas Bestimmtes gesucht und dabei alles von den Regalen gefegt. Die Kiste mit den Röhren war jedoch noch da. Eine dünne Schicht Asche bedeckte auch hier alles. Philemon roch Rauch und noch etwas anderes. Petroleum? Öl? Rasch machte er auf dem Absatz kehrt und lief zurück in das Labor. Die Schrankapparatur stand offen und sämtliche Glaszylinder lagen in Scherben. Ob sie nun aber im Feuer gesprungen waren oder mit Absicht zerschlagen wurden, vermochte Philemon nicht zu sagen. Er sah durch die Hintertür hinaus und entdeckte dort endlich die drei Wissenschaftler. Sie standen in einiger Entfernung zum Gebäude und blickten mit versteinerten Mienen in die Prärie hinaus.
„Dr. Tesla!“, rief Philemon. „Dr. Tesla! Was ist passiert?“
Als er bei den drei Männern ankam, wandte sich Löwenstein zu ihm um. In seinen Augen lag Resignation. „Ein Feuer“, antwortete er. „Wir vermuten, dass es von jemandem gelegt wurde.“
„Dann war es doch Petroleum, das ich gerochen habe“, bestätigte Philemon aufgeregt. „Damit wollten die Brandstifter bestimmt den Brand beschleunigen. Auch die Röhren sind zerstört worden. Außerdem wurde Ihr Studierzimmer durchwühlt, Dr. Tesla. Jemand hat dort etwas gesucht! Was ist mit Ihrem Notizbuch? Das mit dem goldenen Kreis darauf. Haben Sie es noch?“ Mit einem Mal wurde Philemon ganz übel. Übel von der Schlechtigkeit dieser Welt.
Dr. Tesla blinzelte. Er wirkte traurig. Mit einer behandschuhten Hand strich er sich über den schwarzen Cutaway, den er heute trug. „Es ist hier“, sagte er leise und klopfte auf eine Ausbeulung in Höhe seiner Brust, „bei mir. Ich habe es immer bei mir. Das sagte ich bereits. Ich …“, seine Stimme geriet ins Stocken, „… ich glaube, ich muss mich jetzt etwas ausruhen … Ja, ein wenig Schlaf könnte mir guttun.“ Er schluckte und schwankte leicht. Löwenstein trat einen raschen Schritt auf ihn zu und bot ihm seine Hand als Stütze an, doch Tesla lehnte mit einem dankenden Nicken ab.
Philemon schmerzte es, den Doktor so zu sehen. Zu sehen, wie er daran litt, dass die Menschen dort draußen seine unvoreingenommene Liebe nicht erwiderten. Und es schmerzte mitzuerleben, wie seine Großzügigkeit mit nichts als Missgunst und Abscheu vergolten wurde.
„Das waren bestimmt diese Pinkertons!“, sagte er wütend. „Diese heimlichen Hunde! Diese verfluchten Schnüffler! Ihre Abreise war vermutlich nur ein Täuschungsmanöver.“ Er würgte den Kloß in seinem Hals herunter und fühlte sich hilflos und erfüllt von Scham, während der Doktor mit gebeugtem Rücken dastand, von Erschöpfung und Enttäuschung gezeichnet.
Dann wandte er traurig den Blick ab. Es war die Unvernunft der Menschen, die Engstirnigkeit und Dummheit in dieser Welt, die verhinderten, dass wunderbare Dinge geschehen konnten. „Ich bringe den Doktor jetzt ins Hotel“, sagte Löwenstein in seine Gedanken hinein. „Dort kann er sich ausruhen. Sie und Czito bleiben hier und schauen, was von dem Labor noch zu retten ist. Unsere Arbeit hier ist noch nicht zu Ende!“ Er wies Tesla den Weg, den dieser bereitwillig einschlug.
Lange sah Philemon den beiden hinterher, wie sie langsam nebeneinander her
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