Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
den Drehstrommotor, die Neonröhre, die Fernsteuerung, das Radio und sogar die Röntgenstrahlen. Doch Tesla wurde auch das betrogene und vergessene Genie genannt, und das war vielleicht auch einer der Gründe, warum er für die Allgemeinheit heute so unbekannt war. Einige Wissenschaftler und Erfinder seiner Zeit hatten Teslas Ideen gestohlen, sie „weiterentwickelt“ und dafür die Lorbeeren kassiert. So wie der Italiener Guglielmo Marconi, der die Erfindung des Radios 1901 basierend auf Teslas Patenten als seine eigene deklariert hatte. Erst kurz nach Teslas Tod war Marconi die ihm fälschlich zugesprochene Erfindung des Radios durch den obersten Gerichtshof von Amerika wieder aberkannt und auf Tesla als alleinigen Erfinder der drahtlosen Telegrafie übertragen worden. Wie in so vielen Fällen hatte die Gerechtigkeit auch hier leider zu spät gesiegt. Das war symptomatisch für Teslas gesamtes Leben, besonders für seine späten Jahre. Der serbische Erfinder war seiner Zeit weit voraus gewesen und hatte mit außerordentlich fortschrittlichen Gedanken aufgewartet. Ihretwegen war er oft als Träumer und Fantast verspottet worden. Er starb 1943 arm und einsam in einem Hotelzimmer in Manhattan. Ein tragisches Ende für einen Mann, mit dessen Erfindungen noch heute Milliarden von Dollar verdient wurden. Das Interessanteste an der ganzen Geschichte um diesen Magier der Elektrizität war jedoch, dass das FBI kurz nach seinem Tod die Privaträume und das Labor durchsucht und sämtliche Unterlagen und Gerätschaften konfisziert hatte. Erst Jahre später waren die Sachen wieder herausgegeben worden. Was hatte das FBI bei dem kauzigen Wissenschaftler zu finden erhofft? Und was hatte es vielleicht sogar gefunden? Noch heute beschäftigen sich eine Menge Leute mit dieser Frage. Tesla-Forscher, Esoteriker, Ufologen, Verschwörungstheoretiker, Anhänger der Nullpunktenergie, sogar namhafte Physiker, die mit Teslas Arbeiten Einsteins Relativitätstheorie wiederlegen wollten. Der Geist des Genies Nikola Tesla schien noch immer eine magische Anziehungskraft auf die Menschen auszuüben. Und Ondragon musste zugeben, dass es ihm jetzt, da er mehr über diesen Mann erfahren hatte, nicht anders erging.
„Warum wissen Sie eigentlich so gut über Tesla Bescheid?“, fragte er die Agentin.
„Das gehört zur Allgemeinbildung!“ Mehr kam nicht von Ritter.
Ondragon schwieg. Konnte es sein, dass es hier um etwas ganz anderes ging, als die missglückte Flucht irgendwelcher Nazi-Offiziere nach Südamerika? Einer Eingebung folgend tippte er „Edison-Medaille“ und „Tesla“ ins Suchfeld ein. Leider bekam er nicht viele Treffer. Einige Bilder der Medaille, Originalaufnahmen von der Urkunde der AIEE, die Tesla 1917 überreicht worden war, und eine Abschrift seiner Rede bei der Preisverleihung. Nikola Tesla hatte die hochdotierte Auszeichnung für seine frühen Arbeiten im Bereich Mehrphasen- und Hochfrequenzströme verliehen bekommen. War es das? Ging es bei der ganzen Sache um Strom? Hochfrequenz-Strom? Wohl eher nicht, dachte Ondragon, denn das war ja heute nichts weltbewegend Neues mehr. Aber was war es dann?
„Feierabend!“, hörte er plötzlich Charlizes Stimme. „Ich komme jetzt raus. Wird auch höchste Zeit, hier drinnen stinkt es wie in einem Seemannsgrab!“
„Tanaka, sofort bei Position 1 melden!“, ordnete Ritter an.
„Ja, ja, bloß keinen Stress. Ich lasse erst einmal alle anderen abhauen, dann fahrt ihr mal schön um die Ecke und ich komme zu euch.“
„Steiner wird Sie überwachen!“
„Schon klar“, entgegnete Charlize mit ironischem Unterton. „Mann, seid ihr paranoid!“
„Ich darf doch wohl um mehr Disziplin bitten!“, empörte sich Ritter.
„Ich halt ja schon den Mund. Bis gleich. Zur Tarnung ziehe ich erst noch eine durch.“
Ondragon packte seine Sachen und machte sich unauffällig auf den Weg zur Straßenecke, von der aus er Charlize und den Van gut im Blick hatte. Der Van war inzwischen eine Straße weitergefahren, so dass man ihn vom Tor aus nicht mehr sehen konnte. Ondragon beobachtete, wie seine Assistentin auf dem Bürgersteig stand, eine Zigarette anzündete und sich von den Mitarbeitern des Untersuchungsteams verabschiedete. Diese boten ihr an, sie in einem Taxi mitzunehmen, was Charlize höflich ablehnte. Nachdem die drei Wissenschaftler endlich weg waren, schnippte sie den Glimmstängel fort und ging in Richtung Van davon. Einige Schritte hinter ihr folgte wie zufällig Steiner.
Die
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