Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
frei!“ Das war sein Leitspruch, den er am Tag mindestens einmal zitierte.
Ganz anders dagegen war Dr. Tesla, der eine ausnahmslos ätherische Erscheinung besaß, gespeist allein von der Energie seines Schöpfergeistes, seiner extraordinären Ideen und Visionen. Gleichfalls unermüdlich und hart zu sich selbst, war er jemand, der über den Dingen zu schweben schien. Wenn Tesla das Feinsinnige und von den weltlichen Bedürfnissen Losgelöste darstellte, dann verkörperte Fritz Löwenstein den robusten und soliden Kern des Labors. Die Kraft im Inneren, die alles zusammenhielt. Nur der pummelige Czito war schwer einzuordnen. Am ehesten konnte man ihn als die gute Seele des Labors bezeichnen. Wie ein alter Kater schien er es jedes Mal in seinen Schnurrhaaren zu spüren, wann sich ein Problem anbahnte, und war zur Stelle, noch ehe man ihn rief. Eifrig schwirrte er um die Apparaturen herum und behob die jeweilige Störung mit der Grandezza einer dicken Hummel. Dabei brummte er serbische Liedchen vor sich hin. Doch wenn er einmal nichts zu tun hatte, verwandelte er sich wieder in den lauernden Kater und verschmolz regungslos mit dem Hintergrund. Dann schwebte nur noch sein zwielichtiges Grinsen zwischen den Schatten wie ein Sichelmond mit Zahnlücke. Ja, das war Mr. Czito, die serbische Ausführung der Grinsekatze aus dem Buch ‚Alice im Wunderland‘.
Philemon drehte den Kopf in Richtung des Mechanikers, von dem nicht viel zu sehen war, Dafür konnte man ihn gut hören. Der Serbe schrubbte die Spulen innerhalb des großen Metallzauns blank und keuchte dabei angestrengt wie eine Lokomotive.
Dr. Tesla hockte indes in seiner kleinen Kammer und grübelte über seinen Entwürfen.
„Ist der Doktor Tag und Nacht dort drinnen?“, fragte Philemon verwundert.
Löwenstein nickte, ohne in seiner Arbeit innezuhalten.
„Und wann kommt er heraus?“
Der deutsche Ingenieur hob den Kopf. „Vermutlich, wenn er seine Aufgabe gelöst hat. Und das kann dauern. Wir haben schließlich vor, Großes zu vollbringen. Dinge, die noch nicht dagewesen sind. Und dafür braucht es viel Hirnschmalz.“ Er tippte sich mit einem öligen Finger an die Stirn und grinste von einer buschigen Kotelette bis zur anderen.
„Und was genau wird das sein? Diese großen Dinge? Die drahtlose Telegraphie vielleicht? Ich meine, halten Sie es für möglich, dass ihm dies tatsächlich gelingen wird?“
„Zweifeln Sie etwa daran, Phil?“
Philemon fühlte sich ertappt. Ja, er hatte Zweifel und ja, er hatte Angst. Außerdem fand er es unerträglich, dass er noch immer nicht wusste, an welchen Experimenten Dr. Tesla hier arbeitete und ob sie tatsächlich ungefährlich waren. Dennoch wurde dies alles von der geheimen Hoffnung überlagert, an etwas wahrhaft Großem teilhaben zu dürfen. An etwas, das womöglich Geschichte schrieb.
„Nein, ich habe keine Zweifel!“, log Philemon, ohne Löwenstein anzusehen.
„Das ist gut, mein Junge. Sehr gut, denn wir sind Auserwählte des Doktors, seine helfenden Hände.“ Der Deutsche richtete sich auf und legte eine Hand auf seine schürzenbewährte Brust. „Wir kümmern uns darum, dass alle Apparate im Labor stets einwandfrei arbeiten und einsatzbereit sind, wenn sie gebraucht werden. Das mag in Ihren Augen simpel wirken, ist aber eine durchaus ehrenvolle Aufgabe.“
„Und warum sind wir hier in der Prärie und nicht in Dr. Teslas Laboratorium in New York? Hätten wir in der Stadt nicht viel bessere Bedingungen für die Experimente?“ Die Frage brannte Philemon schon seit einiger Zeit auf den Lippen und er war froh, sie jetzt endlich aussprechen zu können.
„Dafür gibt es mehrere gute Gründe“, entgegnete Löwenstein. „Zum einen – und das ist nicht ganz unerheblich – bekommt Dr. Tesla hier sämtlichen Strom, den wir benötigten, umsonst aus dem städtischen Kraftwerk geliefert. Und zwar über die Masten, die als einziges hier raus in die Prärie führen. Und zum anderen ist die Luft hier auf dem Hochplateau besonders reich an statischer Energie. Colorado Springs ist bekannt für seine heftigen Gewitter mit gewaltigen Blitzentladungen. Die braucht Dr. Tesla, um seine Erkenntnisse zu sammeln. Das wäre in New York nicht möglich.“ Löwenstein hielt in seiner Arbeit inne und ließ den Blick durch das Labor gleiten. Aber von Tesla war nichts zu sehen und Czito brummte, noch immer außer Sichtweite, seine Liedchen vor sich hin. Dann beugte er sich vor, und sein Mund berührte fast Philemons Wange.
„Es
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