Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
ganz auf Gegenseitigkeit. Dennoch schlage ich vor, dass wir diese Operation mit dem nötigen Ernst zu Ende bringen und uns hinterher nach Herzenslust beschimpfen. Gute Nacht!“
Trockener konnte man nicht kontern. Ondragon schaltete das Handy ab und legte es auf den Nachttisch. Dann knipste er das Licht aus.
Wenig später knipste er das Licht wieder an. Er konnte jetzt nicht schlafen. Sämtliche Neuronen in seinem Gehirn kribbelten, was ein untrügliches Zeichen dafür war, dass sich hier ein besonders kompliziertes Rätsel auftat. Eines der Königskategorie! Ondragon sah auf die Uhr und sprang aus dem Bett. Er würde es ausnutzen, dass seine Zentrifuge auf vollen Touren lief. Rasch griff er nach seinem Notizblock und begann, erneut im Internet zu recherchieren. Eigentlich war das Charlizes Job, aber in diesem Auftrag verhielt sich alles anders. Sie hatten die Rollen getauscht. Charlize würde für den operativen Teil ihren Schlaf brauchen, während er die aufwendige Suche nach Informationen übernahm.
Zunächst widmete er sich dem einzigen angeblichen Passagier der Junkers 390: SS-Obergruppenführer Dr. Hans Kammler. Über ihn fand Ondragon einiges im Netz. Der deutsche Ingenieur und Architekt war unter den Nationalsozialisten schnell bis zum Chef der Amtsgruppe für Bauwesen aufgestiegen, was zunächst einmal harmlos klang, aber unter diesem Titel hatte Kammler seine schlimmsten Kriegsverbrechen begangen. Zum Bespiel hatte er die Aufsicht über sämtliche Bauvorhaben für Vernichtungslager geführt, in denen er die Gaskammern und Krematorien optimieren ließ, da ihm eine Leistung von 2650 Leichen pro Tag nicht als ausreichend erschien.
Da haben wir sie mal wieder, die deutsche Gründlichkeit!, dachte Ondragon und ein Teil von ihm begann sich zu schämen, der andere hingegen blieb kalt.
General Hans Kammler zeichnete jedoch nicht nur für die Gräuel in den Konzentrationslagern verantwortlich, sondern auch für den Bau unterirdischer Produktionsstätten für Düsenflugzeuge, bei denen Zehntausende von Zwangsarbeitern ums Leben kamen. Kraft seines Amtes wusste Kammler stets über die geheimen Projekte Bescheid, bei denen die besten Wissenschaftler des Reiches an Hitlers „Wunderwaffen“ forschten, und er hatte jederzeit Zugang zu den Fabrikstollen. Damit war das Prachtbürschchen von einem Parade-Nazi prädestiniert für eine Flucht mit geheimer Technologie an Bord, fand Ondragon. Eine dieser unterirdischen Anlagen hatte sich in Schlesien befunden, keine 200 Kilometer von Prag entfernt, wo Kammler sich zu Kriegsende aufgehalten hatte. Der Ort hieß Ludwigsdorf und hatte eine geheime Forschungseinrichtung beherbergt. Ein Projekt namens „Die Glocke“.
Ausgemachter Blödsinn? Oder NS-Propaganda, die von irgendwelchen unverbesserlichen Anhängern dieser Nazi-Mythen am Leben gehalten wurde? Angeblich hatte es sich bei dem Objekt um einen, wie der Name schon sagte, glockenförmigen Flugkörper gehandelt, der auf wundersame Weise schweben konnte. Zwei gegenläufig rotierende Zylinder hätten eine Art magnetischen Feldantrieb erzeugt, der das Gerät mühelos zum Abheben gebracht haben soll. Ondragon hatte noch weitere Schlagwörter dazu gefunden: Antigravitationsantrieb, Levitation durch Torsionsfelder, Wirbelmechanik und Repulsionskräfte. Alles Bereiche der Physik, von denen er null Ahnung hatte. Es wurde höchste Zeit, dass er mit dem Bekannten von Strangelove sprach, dem Ufologen.
Aber noch einmal zurück zu Dr. Hans Kammler. Es wäre durchaus möglich gewesen, dass der General von Prag aus nach Ludwigsdorf hätte gelangen können, wo die Junkers mit ihrer Fracht bereitstand. Zwar behaupteten Kammlers erster Ordonnanzoffizier und sein Fahrer, dass der General in einem Wald nahe Prag Selbstmord mit einer Zyankalikapsel begangen habe, aber seine Leiche wurde nie gefunden. Eine bewusst angelegte Finte von Kammler, die von seiner Flucht ablenken sollte?
Ondragon sah grübelnd von seinen Notizen auf. Falls überhaupt etwas an dieser Sache dran war, dann würde er für diese Variante plädieren, denn hier passten einfach die meisten Teile zusammen. Außerdem sprach die Tatsachte, dass das US-Militär nach Kriegsende überall in der Welt nach Kammler gesucht hat, für sein Überleben und eine mögliche Flucht. Sein Tod hingegen wurde 1948 auf Betreiben seiner Witwe vom Amtsgericht Berlin-Charlottenburg für den Zeitpunkt 9. Mai 1945 festgesetzt und damit auch schlussendlich ein Deckel auf diese Angelegenheit
Weitere Kostenlose Bücher