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Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)

Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Strohmeyer
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tappte dabei ungeduldig von einen Fuß auf den anderen, so als müsse er mal dringend. Wenn er dann sah, dass der Gringo ihm folgte, lief er rasch weiter. Wahrscheinlich hatte der Kleine nur diese eine Geschwindigkeit auf seinem Tacho.
    Während Ondragon dem Jungen hinterher durch die Gassen stürmte, bemerkte er überall neugierige Blicke. Nur dass sich kaum ein Bewohner in der ausklingenden Hitze des Tages auf der Straße befand. Sämtliche Augen der Favela lugten aus dem Schutz der dunklen Fensterhöhlungen und gafften ihn an, als sei er Freiwild. Vermutlich schlossen sie schon Wetten ab, wie lange ein so auffälliger Weißer es hier machen würde, bevor ihn eine Kugel träfe. Unwillkürlich zog Ondragon den Kopf ein und hoffte, dass Sems Leute ihn bereits beobachteten und eingreifen würden, falls sich ihm jemand in böser Absicht nähern sollte. Ansonsten blieb ihm nur die Glock vom BND. Fünfzehn Schuss. Nicht viel an einem Ort, an dem selbst Kinder Waffen trugen.
    Der kleine Junge rannte und rannte ohne die geringsten Anzeichen von Erschöpfung. Seine nackten Füße verursachten auf dem staubigen Untergrund kaum einen Laut, so schwerelos flog er dahin. Ondragon spürte, wie die Reisetasche auf seinem Rücken langsam schwerer wurde und ihm der Schweiß aus allen Poren sprudelte. Sein Hemd war völlig durchnässt und klebte an seinem Oberkörper. Die rohen Backsteinwände der Gebäude um ihn herum buken in der flimmernden Hitze. Und je tiefer sie in die Favela vordrangen, desto drückender und übelriechender wurde die Luft.
    Nach einer gefühlten halben Ewigkeit erreichten sie ihr Ziel. Ein Haus, das aussah wie der architektonische Traum eines kubistischen Künstlers, der zu viel Klebstoff geschnüffelt hatte. Überall waren würfelförmige Einheiten an ein zentrales, pyramidenartiges Grundgebäude angebaut und hinterher in unterschiedlichen Farben gestrichen worden, je nachdem, was gerade „vom Laster gefallen“ war. Pink, Hellblau, Grün! Eigentlich hätte es in seiner bunten Art fröhlich wirken können, wenn da nicht überall an den Wänden Graffitis gewesen wären. CA – diese Initialen, so wusste Ondragon, verrieten, dass sich hinter diesen Mauern das Hauptquartier der hiesigen Drogenbande befand. Ein Wespennest, in das man lieber nicht stach.
    Er blieb stehen und sondierte die Umgebung. Keine Menschenseele war zu sehen; es schien, als hätte er eine unsichtbare Grenze überschritten. Totenstill schwebte die stickige Luft über der Würfelpyramide, die sich wie eine wütende Faust durch das Gewirr aus Stromkabeln in den Himmel reckte.
    Der Junge drängte ihn zum Weitergehen und brachte ihn schließlich zu einem Eingang. Dahinter führte eine Treppe nach oben. Der Kleine zeigte darauf und sagte: „Vai lá pra cima – dort hinauf.“ Danach verschwand er wie ein Wiesel, das den Blick des Adlers fürchtete.
    Mit der Hand an der Pistole stieg Ondragon die Treppe hinauf. Oben öffnete sich ein dunkler Gang, an dessen Ende sich eine einzige Tür befand. Sie war aus verrostetem Stahl und das obligatorische CA prangte darauf in royalblauer Farbe wie eine unheilvolle Visitenkarte.
    Was erwartete ihn hinter dieser Tür?
    Hoffentlich Charlize. Ondragon hatte wenig Lust, sich ohne ihre Unterstützung dem Drogenboss von Fortaleza zu stellen. Er trat vor die Tür und schlug mit der Faust dagegen. Dumpf hallten die Schläge durch das ganze Gebäude. Kurz darauf hörte er, wie ein Riegel zurückgeschoben wurde, und die Tür öffnete sich mit einem Quietschen. Dahinter war es noch dunkler als in dem Gang. Ondragon bemerkte einige Schatten in dem Raum, zögerte und trat dann ein. Hinter ihm schloss sich die Tür geräuschvoll und im selben Moment fühlte er den Lauf einer Waffe am Kopf. Er ließ seine Tasche fallen und hob beschwichtigend die Hände. Jemand tastete ihn ab, griff nach seiner Pistole im Hosenbund und nahm sie ihm weg.
    „ Eu me chamo Ondragon. Você é o Sem? “, fragte er und hoffte, dass der Kerl sein dürftiges Portugiesisch verstand.
    „Aber natürlich! Boa tarde, senhor Ondragon! “, hörte er eine Stimme antworten, die ihm irgendwie vertraut vorkam. Ein Licht wurde eingeschaltet, und die Schatten im Raum verwandelten sich. Es waren fünf Männer. Nacheinander scannte Ondragon ihre Gesichter. Da waren zwei schwarze Typen, die aussahen, als stammten sie aus einem Rappervideo; mit Tattoos auf den Oberarmen, dicken Goldketten um den Hals, auf halb acht hängenden Schlabberhosen und blauen Tüchern

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