Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
eine innere Stimme, während er seine Kaffeetasse leerte. Du tust das nicht bloß, weil du den Ruf Dr. Teslas reinwaschen willst, sondern weil dein Misstrauen dich dazu treibt. Du zweifelst zutiefst an der Aufrichtigkeit des Doktors und hast bloß Angst, dass dein großes Idol mit Makeln behaftet sein könnte. Was ist, wenn du herausfindest, dass an der ganzen Sache tatsächlich etwas faul ist?
Philemon verzog unwillig das Gesicht und würgte den Kaffee herunter. Für Wenns und Abers gab es später noch genug Zeit. Mit der Serviette tupfte er sich den Mund ab und stand vom Tisch auf. Er nahm seinen Hut, verließ das Hotel und trat auf die sonnenbeschienene Straße. Nichts erinnerte mehr an den unheimlichen Marsch in der vergangenen Nacht und die drohenden Worte des Konstablers. Entschlossen spazierte Philemon zu Benson’s Restaurant. Dort würde er nach dem Weg zum alten Foley fragen.
Als er durch die Tür in den Schankraum trat, wandten sich ihm sämtliche Gesichter zu. Rund ein Dutzend Männer starrten ihn an. Einige von ihnen feindselig, andere neugierig. Philemon biss die Kiefer aufeinander und ließ sich nicht anmerken, wie unangenehm ihm die Situation war. Erhobenen Hauptes ging er zur Theke, von wo aus ihn der Wirt mit finsterer Miene musterte.
„Was wollen Sie denn hier?“, fragte er.
Nanu, dachte Philemon, was war aus der Gastfreundlichkeit vom ersten Tag geworden? Da konnte man mal sehen, wie schnell man an diesem Ort in Ungnade fiel. Er straffte seine Gestalt und legte eine lässige Ausdruckweise an den Tag: „Wenn Sie mir sagen, wie ich zu Benjamin Foley finde, dann bin ich ruckzuck wieder verschwunden und Sie werden sich nie wieder von mir als Gast belästigt fühlen.“ Er schob ein süffisantes Lächeln hinterher und hoffte, dass er souverän wirkte. In Wirklichkeit fühlte er sich ganz und gar nicht so.
Der Wirt stützte sich mit beiden Händen auf den fleckigen Tresen und lehnte sich vor. Die Muskeln an seinen behaarten Unterarmen traten deutlich hervor. Philemon spürte, wie die beiden Männer, zwischen denen er stand, ihn regelrecht mit ihren Blicken bedrängten, und ihm wurde heiß unter seinem Jackett. Er bemühte sich, ruhig weiterzuatmen.
Der Wirt mahlte mit seinem mächtigen Unterkiefer, wandte schließlich den Kopf und spie einen langen braunen Strahl Kautabak hinter den Tresen. Anschließend wischte er sich über den Bart, in dem einige Fäden des ekelerregenden Sekretes hängengeblieben waren. „Zu Foley“, sagte er mit dunkler Stimme. „Soso. Was will er denn da, der Großstadt-Knirps?“
Philemon ignorierte die Beleidigung und wartete weiterhin ab.
Der Wirt wechselte einen Blick mit den Männern, die kaum merklich nickten. „Gehen Sie die Pikes Peak Avenue nach Osten bis zur El Paso Street“, sagte er dann, „danach rechts bis zum Ende und noch einige hundert Meter weiter in die Prärie hinaus. Dort treffen Sie auf ein Wash, ein ausgetrocknetes Flussbett. Folgen Sie dem Ziegengestank, die Hütte vom alten Foley ist nicht zu verfehlen. Aber passen Sie auf Ihre eleganten Stadtschuhe auf, dort draußen ist es staubig.“ Der Wirt grinste unverschämt.
„Die Prärie ist eben nichts für feine Pinkel wie Sie. Geben Sie gut auf sich Acht!“, ergänzte einer der Männer und bleckte seine gelben Zähne.
„Meinen Dank, die Herren“, erwiderte Philemon unbeeindruckt und lüpfte kurz seinen Hut. „Ich empfehle mich.“ Er verließ das Esslokal und trollte sich schnell in Richtung Osten. Während er der Wegbeschreibung folgte, verflüchtigte sich sein Zorn über die Männer. Sie wussten es ja nicht besser. Er bog auf die El Paso Street ein. Hier standen ausnahmslos große Holzhäuser, überschattet von hohen Bäumen, gepflegte Anwesen in viktorianischem Stil. Wie um alles in der Welt kamen die Leute auf die Idee, sich ausgerechnet hier in Colorado Springs niederzulassen? Mitten im staubigen Nichts! Und obendrein in einem selbstgefälligen Kaff ohne den Hauch von aufrichtiger Freundlichkeit! Verständnislos schüttelte Philemon den Kopf.
Nach einer Weile begannen sich die Häuserreihen zu lichten und die Straße verwandelte sich in einen Pfad. Die Häuser waren weniger prächtig und schon an der nächsten Biegung stand Philemon mitten in der vor Hitze flimmernden Prärie. Hier wuchsen keine schattenspendenden Bäume mehr, nur noch struppiger Wüstenbeifuß und verdorrtes Süßgras. Unter der glühenden Sonne marschierte er auf die Ebene hinaus. Der Pfad schlängelte sich
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