Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
durchgelesen.“
„Und, was hältst du davon?“
„Green schreibt, sie hätten um zwei Uhr nachmittags die Mine erreicht, das Gelände abgesucht, zerstörte Gebäude und vier Tote vorgefunden. Sie haben die Reste der Hütte, die über dem Schachteingang stand und beim Beben wie ein Kartenhaus in sich zusammengestürzt war, entfernt und den mit Stahlplatten abgesicherten Zugang freigelegt. In den Platten war eine Falltür mit elektronischem Schloss eingelassen. Da kein Strom und auch kein Notstrom mehr vorhanden waren, konnten sie das Schloss ganz einfach öffnen und drangen in den Schacht ein, in dem eine Stahltreppe hinab in die Dunkelheit führte. Die Crew wurde aber auf der halben Strecke von einem Erdrutsch gestoppt, der die Treppe zerstört und ein Weiterkommen unmöglich machte. Green entschied, es dabei zu belassen, und die Sprengladungen anzubringen. Das Setzen des Dynamits zog sich wie geplant bis zum späten Abend hin. Als die Mailmen fertig waren, brachten sie die Toten und andere verdächtige Materialien, wie zum Beispiel Dinge mit aufgedrucktem Firmenlogo, in den Schacht, so lautete zumindest der Auftrag: Keine Spuren an der Oberfläche hinterlassen!“
„Willst du mir einen Vorwurf machen?“, knurrte Rod.
„Nein, ganz bestimmt nicht.“
„Gut!“
Ondragon warf Rod einen kritischen Seitenblick zu. Warum war er plötzlich so empfindlich? Wuchs ihm etwa ein Gewissen? Oder machte ihm die Sache mit dem Jungen zu schaffen? Nur gut, dass ihn so etwas nicht tangierte. Mitgefühl oder ein Gewissen waren etwas, das in seinem Job nur störte. Vielleicht brauchte sein Freund ein Anti-Gewissen-Training. Und vielleicht sollten sie die Madame doch gleich hier und jetzt sich selbst überlassen und ohne sie zur Mine gehen. Zu viel Rücksicht war schließlich ungesund. Er blickte zu der Madame hinüber, die ein Viertel der Schlange abgearbeitet hatte, und dann auf seine Uhr. Zweieinhalb Stunden noch. Sie lag gut in der Zeit. Womöglich blieben sie trotz der unvorhergesehenen Störungen doch noch im schedule .
Er zuckte mit den Schultern und setzte seine Ausführung fort: „Die Sprengung des Schachtes sollte in den frühen Morgenstunden erfolgen. In der Nacht hatte zuerst Green die Wache, danach Ellys und zum Schluss Stern. Keine Vorkommnisse. Am nächsten Morgen wurde das Gelände von Stern und Ellys abgesichert, während Green noch einmal die Ladungen überprüfte. Um 6.15 Uhr verließ er den Schacht und um 6.30 Uhr zündete er. Die Sprengung verlief nach Plan und der Schacht stürzte ein. Eine darauf folgende Inspektion bestätigte, dass der Eingang komplett versiegelt war. Die Crew packte ihre Sachen und kehrte über denselben Weg, über den sie gekommen war, nämlich durch das Flusstal, zurück zur Küste, wo sie um 12.40 Uhr das Boot bestiegen. PO und MC. Saubere Arbeit!“ Ondragon schnippte mit den Fingern. „Sterns Bericht ist so weit identisch, bis auf die Tatsache, dass er von nur dreizehn Ladungen Dynamit spricht, anstatt von fünfzehn, wie Green es tut.“
„Einer von den beiden hat sich eben verzählt“, bemerkte Rod ironisch.
„Das glaube ich kaum“, entgegnete Ondragon. Nachdenklich kniff er die Augen zusammen und sah hinauf zum Himmel über den Bergen, wo eine Schar Truthahngeier ihre Runden flog. „Wem von den beiden vertraust du mehr?“
Rod warf ihm einen Blick zu. In dieser Hitze wirkten seine blauen Augen noch kühler. „Green, deswegen ist er auch der Head .“
„Gut, dann gehen wir mal davon aus, dass sein Bericht stimmt, was schlussfolgern wir dann aus Sterns Abweichung?“
„Dass sich die Zahl der Ladungen in dem Schacht erhöht hat, ohne dass Stern davon wusste. Green war schließlich als Letzter am Abend im Schacht und am nächsten Morgen der Einzige, der die Ladungen überprüft hat. Vielleicht hat er zwei zusätzliche Stangen gesetzt, von denen Stern und Ellys nichts gewusst haben. Könnte doch sein?“
„Könnte sein. Könnte aber auch nicht sein.“Ondragon nahm den Helm ab und kratzte sich am Kopf. Es machte ihn außerordentlich nervös, dass er nicht auf die Lösung dieses Rätsels kam. Nur eines war sicher. Einer der beiden Mailmen wollte etwas vertuschen. Das sagte ihm sein Gefühl.
„Ich hoffe, wir werden bald mehr wissen“, sagte er und stieß sich von der Wand ab. „Ich horche mal, was die Madame schon so herausgefunden hat.“ Er ging zu ihr hinüber und ließ sich auf den Stuhl sinken. Das Gewehr zwischen den Knien musterte er eine junge hübsche
Weitere Kostenlose Bücher