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Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)

Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Strohmeyer
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Frau, die der Madame gerade eine böse Wunde auf ihrem Arm zeigte. Eitrige Blasen hatten sich unter dem Schorf gebildet, und die Haut um die Verletzung war bläulich angelaufen. Schüchtern wich die Frau seinem Blick aus und biss sich auf die Unterlippe, während die Madame auf Kreolisch mit ihr sprach und in einem abgewetzten, altmodischen Koffer zu kramen begann.
    „Wo haben Sie denn das Ding her?“, fragte er.
    „Aus dem Altarraum, dort bewahrt jeder Priester seine Zutaten für Heilmittel und Tränke auf.“ Sie zog den Korken aus einer grünen Weinflasche und schüttete ein braunes Pulver in die hohle Hand der Frau. Dann nahm sie eine zerbeulte Dose, und tat zwei Löffel der getrockneten Kräuter dazu, die sich darin befanden. „Das sollte gegen die Infektion helfen. Ihr Arm wurde von einem Stück Wellblech aufgerissen, das sich beim Beben vom Dach gelöst hatte. Ich hoffe, sie wird es überleben. Die Wunde sieht brandig aus. Eigentlich bräuchte sie Antibiotika.“
    Moderne Medizin? Und das aus dem Munde dieser Kräuter-Hexe! Ondragon wandte den Blick von der jungen Frau ab. Ihr Schicksal war nicht sein Problem. „Und haben Sie schon etwas über die Mine oder den Jungen in Erfahrung bringen können?“
    Die Madame entließ die Frau und winkte den nächsten Kandidaten heran, dessen kartoffelgroßes Geschwür über seinem linken Auge ganz bestimmt nicht von dem Beben stammte. „Bis jetzt nicht viel. Geben Sie mir noch etwas Zeit. Die Leute fangen gerade erst an, ein wenig gesprächiger zu werden.“
    Ondragon sah auf die Uhr. „Noch zwei Stunden, dann brechen wir auf! Egal, was wir bis dahin wissen!“
    „ Bien sûr , mon Generale! “, sagte die Madame und fragte den Mann vor sich etwas in seiner unmöglichen Landessprache.
    Ondragon blieb einen Moment sitzen, wurde der flehenden Blicke der Dorfbewohner aber schnell überdrüssig und gesellte sich wieder zu Rod, der sich eine Havanna angezündet hatte. „Wie kannst du bei dieser Hitze bloß rauchen?“, fragte er den Briten und nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche.
    Wortlos hielt ihm Rod die Zigarre hin. Ondragon nahm sie und zog daran. Das nussigherbe Aroma des Tabaks floss über seine Zunge, und überrascht stellte er fest, dass der Rauch sich beinahe kühl anfühlte. Zumindest wirkte das bei über 100 Grad Fahrenheit im Schatten so. Er nahm noch einen Zug und reichte den Glimmstengel an seinen Freund zurück. „ Good stuff! “
    „Jepp.“
    Eine Weile herrschte ein angenehmes Schweigen zwischen ihnen. Sie blickten gedankenvoll über den Hof zum Peristyl, wo die Madame emsig ihre Kräuterkuren mischte. Doch dann spürte Ondragon, dass Rod etwas sagen wollte, sich aber offensichtlich nicht so recht traute.
    Er stieß seinen Freund an. „Raus damit. Was brennt dir auf der Seele?“
    „Die Madame und ich, wir haben uns im Flugzeug unterhalten, als du geschlafen hast. Sie erzählte mir etwas, das ich merkwürdig fand. Und ich weiß nicht, ob ich ihr glauben soll.“ Rod drehte sich zu ihm, so dass er nur noch mit der Schulter an der Wand lehnte. „Hast du wirklich einen Bruder? Einen, der seit über dreißig Jahren tot ist?“
    Es war nur verständlich, dass Rod danach fragte, dachte Ondragon. Nach all den Jahren ihrer Freundschaft fühlte er sich jetzt getäuscht, weil er ihm nie etwas davon erzählt hatte. Er drehte sich ebenfalls zu seinem ehemaligen Mentor und sah ihn an. „Das bleibt jetzt unter uns. Nichts davon soll die Madame erfahren oder irgendjemand sonst.“
    „Ich bin dein Freund, Ecks! Wahrscheinlich der Einzige auf dieser Welt, dem du wirklich vertrauen kannst!“
    Damit hatte Rod vermutlich recht. Und weil er auch der Einzige war, der seine komplette Familiengeschichte kannte bis hin zum Zwist mit seinem Vater, wollte Ondragon ihm die Sache mit seinem Bruder erklären. „Es stimmt, ich hatte einen Zwillingsbruder. Per Gustav. Er starb mit zehn Jahren. Und wahrscheinlich bin ich schuld an seinem Tod.“
    „Du?“
    Ondragon wand sich innerlich. Aber er wusste, dass er es eines Tages laut aussprechen musste. „Wir hatten Stubenarrest und mein Vater sperrte uns in seine Bibliothek. Ich fand das ungerecht und trat oder warf etwas gegen ein Bücherregal – ich weiß es nicht mehr genau. Zumindest geriet das Regal ins Wanken und stürzte auf uns drauf. Du musst wissen, dass diese Regale bis zur Decke voll waren mit …“, er zögerte, weil er allein schon dieses Wort verabscheute, „mit … scheiß Büchern !“ Er spuckte es

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