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Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)

Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Strohmeyer
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sie und strich dem Patienten, einem traurig dreinblickenden Mann mit kantigem Kopf, über die Hand. Dabei sprach sie beruhigend auf ihn ein. Als der Mann sich endlich erhob und sich mit dankbarem Nicken zurückzog, atmete die Madame auf und erhob sich ebenfalls. Mit einem Stöhnen streckte sie ihren Rücken.
    „Ich warte!“, mahnte Ondragon.
    „Jetzt machen Sie mal keinen Stress. Ich hab ja, was Sie wollen.“ Sie ging ein paar Runden um den bemalten Mittelpfosten des Peristyls. „Das war anstrengend, ich muss mir mal ein bisschen die Beine vertreten.“
    Ungeduldig tippte Ondragon mit den Fingern auf den Kolben seines Gewehres, und die Madame hob beschwichtigend die Hände, als sie seinen Blick auffing. „Gut, gut, ich komme ja schon.“ Sie trat vor Ondragon, spreizte die Finger und legte, als beginne sie eine Aufzählung, einen Finger auf den Zeigefinger der offenen Hand. „Fangen wir bei der Mine an. Die jungen Leute wissen nicht allzu viel darüber, am meisten hatten die Alten darüber zu erzählen. Deren Großeltern haben noch in der Mine gearbeitet. Sie ist seit achtzig Jahren geschlossen. Es wurde zwölf Jahre lang Silber abgebaut, dann war das Vorkommen erschöpft. Dementsprechend ist die Mine nicht besonders groß. Zwei Hauptschächte, einen Seitenschacht, der waagrecht in den Berg führt, aber vor Jahren eingestürzt ist, und – da gehen die Angaben auseinander – fünf bis acht Stollen, die kreuz und quer durch den Berg verlaufen. Eine Karte hat nie existiert. Der Abbau verlief nach uralten Methoden mit reiner Muskelkraft und ohne große technische Hilfsmittel wie mit Druckluft betriebene Meißel, elektrische Fördertechniken oder Loren auf Schienen. Die Männer bearbeiteten den Fels mit Schlägel und Eisen, mit der Hand wurde das Erz dann in Körbe verfrachtet und diese mit Winden oder Eseln über Tage gebracht. Wie im Mittelalter. Tja, damals hatte man sich auch unter der Besatzung der Vereinigten Staaten nicht viel aus menschwürdigen Arbeitsbedingungen gemacht – allerdings muss ich zugeben, dass es heute auch nicht viel besser ist.“ Die Madame strich sich nachdenklich mit der Hand über das Haar. „Das Erz wurde über einen schmalen Pfad ins Dorf hinuntergeschafft, wo es in einer Mühle zerkleinert und das Silber in großen Wannen mit der, wie ein älterer Mann sagte, méthode l’amalgame gewonnen wurde.“
    „Das Amalgamverfahren. Pures Gift. Dabei wird das Quecksilber, das sich mit dem Silber verbindet, verdampft und nur das Silber bleibt zurück“, erklärte Rod. „So etwas wird im Übrigen heute noch in den Goldminen Südamerikas praktiziert. Hässliche Sache und natürlich auf Kosten der einheimischen Bevölkerung.“
    „Hmm, lecker. Dann sollten wir diesen Teil des Dorfes wohl besser meiden.“ Ondragon bedeutete der Madame fortzufahren.
    „Dennoch hatte die Mine dem Dorf damals zu etwas Wohlstand verholfen. Als sie geschlossen wurde, ging es bergab, und die Leute lebten seitdem nur noch von dem, was die kärgliche Landwirtschaft abwarf.“ Ihr Finger wanderte auf den Mittelfinger. „Kommen wir jetzt zur inoffiziellen Wiedereröffnung. Vor drei Jahren kam eine Gruppe Weißer und hat viel Material in die Berge hinaufgeschafft, mit Hubschraubern und Trägerkolonnen. Anders ist die Gegend nicht erreichbar. Aber auch hier gehen die Angaben auseinander – die einen sagen, es waren Amerikaner, die anderen sagen, es waren Franzosen.“
    „Vielleicht Kanadier.“
    „Möglich. Ich habe nach dem Firmennamen gefragt. Keiner kann sich erinnern, etwas gehört oder gesehen zu haben. Sieht ganz danach aus, als hätten die von Darwin Inc. gewollt, dass sie inkognito bleiben.“
    „Also tatsächlich eine geheime Forschungseinrichtung“, sagte Ondragon.
    „Mit Sicherheit aber von der haitianischen Regierung gedeckt“, warf die Madame ein, „denn die lässt keine ausländischen Firmen ins Land, ohne nicht dafür vorher die Hand aufgehalten zu haben. Wenn blancs ins Land kommen, wird abkassiert. Das ist allgemeine Praxis. Blancs sind Goldesel. Wenn das Erdbeben und das dadurch entstandene Chaos nicht wären, könnte ich mit einigen Telefonaten vielleicht herausbekommen, ob eine derartige ‚Absprache‘ im Vorfeld stattgefunden hat. So wird es aber unmöglich sein, den Verantwortlichen ans Telefon zu bekommen. Wenn wir wieder in den Staaten sind, kann ich es trotzdem versuchen.“
    Aha, dachte Ondragon, das war doch mal eine Info! Die Madame hatte Kontakt zu den haitianischen Behörden.

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