Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
Plastiktüte entgegen und wendete sie vor dem Licht der Nachttischlampe hin und her.
„Lag unter einer Schicht Reisig und einem toten Vogel in der Tonne hinterm Haus.“
Ondragon las die Zeile laut vor: „ Tyler Ellys , son corps doit être comme une bouteille vide – dein Körper soll eine Flasche sein. Seltsam. Sprechen Sie Französisch, Kaplan? Äh, Captain ?“
„ Bien sûr .“ Sein Akzent war fürchterlich.
Ondragon hingegen beherrschte Französisch als eine von vielen Sprachen akzentfrei, aber er wollte wissen, was Bolič davon hielt. Schließlich arbeitete dieser für Rod und hatte vielleicht eine Ahnung, ob der Brief etwas mit einem DeForce-Job zu tun haben könnte. Er betrachtete die ungelenke Zeichnung unter den Druckbuchstaben. Es war ein längliches, sechseckiges Gebilde mit einem Kreuz darauf. Sollte wohl einen Sarg darstellen. „Was, denken Sie, könnte das bedeuten?“
„Ich habe nicht den blassesten Schimmer. Wahrscheinlich ist das ein Drohbrief und Ellys hat das Nervenflattern bekommen und sich abgesetzt, oder er ist bereits in der Hölle.“
„Sie glauben, er ist tot?“
„Ja, Geierfutter.“
„Kannten Sie Tyler Ellys?“
„Nein. Aber das ist meine Meinung, Mr. O. Er ist tot.“ Bolič verschränkte die massigen Unterarme vor der Brust. „Tyler Ellys liegt irgendwo da draußen in der Wüste mit ‘ner Kugel im Kopf und wir vergeuden hier nur unsere Zeit!“
„Aber wer hätte einen Grund, ihn umzulegen?“ Ondragon ließ nicht locker, was den Bosnier sichtlich nervte.
„Woher soll ich das wissen, ich bin kein Privatschnüffler, sondern Soldat! Vielleicht ist der verdammte Yankee jemandem zu sehr auf die Füße getreten mit seiner charmanten Art. Oder einer hatte ‘ne Rechnung mit ihm offen, kann ja schon mal passieren bei dem Job. Ist mir jedenfalls egal, ab jetzt übernehmen Sie den Fall! Dann können Sie sich damit herumschlagen. Ich bin jedenfalls raus aus der Sache!“ Er rieb sich die Stirn. „Wenn diese Scheißkopfschmerzen nicht wären! Seit ich bei Ellys war, geht es mir beschissen. Man könnte meinen, ein Fluch läge auf dem Haus. Ich kann kaum noch geradeaus gucken.“ Er hängte noch eine wüste Verwünschung in bosnischer Sprache dran und ließ seine Faust in ein Kissen krachen, dabei bemerkte Ondragon die Tätowierung auf der Innenseite seines Unterarms, die sich alle DeForce-Mitglieder früher oder später stechen ließen: Bugs Bunny als Postbote mit einem Paket in der Hand. Er selbst besaß dieses „Kunstwerk“ zum Glück nicht, denn es hätte sich mit dem japanischen Drachen, den er seit seinem achtzehnten Lebensjahr auf der Brust trug, im wahrsten Sinne des Wortes „gebissen“.
„Hat Ellys irgendwelche Freunde?“, fragte er den blassen Springer.
„Hab‘ ich alles schon abgecheckt. Sind Typen aus seiner Crew, aber die wissen auch nichts. Sie können ja gerne auch nochmal mit denen telefonieren. Hier sind die Nummern.“ Bolič warf ihm einen Notizblock zu. „Darin steht alles, was ich zusammengetragen habe. Nehmen Sie es, ich brauche es nicht mehr.“
Ondragon blätterte durch die Seiten. Es war nicht viel an Informationen. Er steckte den Block in seine Jackentasche. „Sollte ich sonst noch irgendetwas wissen?“
„Nicht, dass ich wüsste. Nehmen Sie bloß auch diesen Brief mit!“
„Ist er auf Fingerabdrücke untersucht worden?“
„Nee, das müssen Sie machen, dafür bin ich nicht ausgerüstet. Aber Rod sagte mir, dass Sie es sind.“
Na, da weiß der gute Rod aber mehr als ich, dachte Ondragon und steckte auch den Brief in seine Tasche.
„Und nun verschwinden Sie, Mr. O! Ich brauche meine Ruhe.“
„Wie kann ich Sie erreichen?“
„Am liebsten gar nicht, aber ich werde hier wohl noch eine Weile rumliegen, bis ich in der Lage bin, ein Flugzeug zu besteigen.“
Wohl eher, bis Rod es dir erlaubt, mein Bester! Ondragon tippte sich zum Abschied an die Stirn und ging.
„Viel Glück, Kollege!“, schallte es mit bosnischem Akzent hinter ihm her, als er die Zimmertür hinter sich schloss.
3. Kapitel
06. Februar 2010
Tucson, Arizona
1.05 Uhr
Eine Weile wartete Ondragon und blickte durch die Frontscheibe des Wagens hinaus in die Dunkelheit, die in der Wüste eine beinahe stoffliche Qualität besaß. Trotz der Straßenbeleuchtung erkannte er kaum mehr als die geisterhaften Fassaden der Häuser des Neighborhood. Nirgendwo brannte ein Licht hinter den Fenstern. Alle braven Bürger schliefen um diese Uhrzeit.
Leise öffnete er die
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