Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
von seinem Platz verrückt worden war. Vereinfacht hieß das, er war in der Lage, den Fehler im Bild zu finden. Leider stimmte in dem Bild, das er im Augenblick vor sich hatte, alles. Nicht eine Unregelmäßigkeit war zu entdecken.
Ondragon ging zum Fernseher, schaltete den Blu-ray-Player ein und öffnete das DVD-Fach. Er nahm die Disc heraus und las den Titel. Der neueste „Star Trek“-Film. Mit einer Hand holte er den Tesafilm aus der Tasche, drückte einen kleinen Streifen davon auf die Disc und zog ihn langsam wieder ab. Mit der Diodenlampe beleuchtete er den gut erkennbaren Fingerabdruck. Ondragon brauchte ihn, damit er ihn später mit denen auf dem Brief vergleichen konnte.
Er legte die Disc zurück und nahm sich den nächsten Raum vor. Ein Esszimmer mit offener Küche. Das Mobiliar wirkte billig und heruntergekommen, die Küche schmuddelig. Offenbar investierte Ellys sein Geld im Wesentlichen in technische Highend-Geräte. In Gedanken machte Ondragon sich einen Vermerk, später unbedingt nach dem Computer zu suchen, über den Tyler Ellys den Kontakt zu DeForce hielt. Zunächst aber durchstöberte er systematisch sämtliche Schubladen und Schränke der Küche, klopfte alles nach verborgenen Fächern ab. Er entdeckte nichts, nur Brotkrümel. Er tastete sogar die Unterseite des Esstisches ab und Bingo … eine 9-mm-Beretta-92FS Semiautomatik kam zum Vorschein. Sie war mit Panzerband unter den Tisch geklebt worden. Da war Springer Bolič aber nicht besonders sorgfältig mit seiner Durchsuchung gewesen, dachte Ondragon, und steckte die Waffe in seine Jackentasche.
Als nächstes verfuhr er desgleichen mit Schlafzimmer, Flur, Bad, Abstellkammer und einem Arbeitszimmer, in dem es zwar ein nacktes Netzwerk-Kabel gab, das aus der Dose ragte, aber keinen PC oder Laptop. Den hatte Ellys oder jemand anderes mitsamt dem Router vom Kabel gezogen und mitgenommen. Leider verhielt es sich genauso mit dem Mobiltelefon. Keine Spur davon. Dabei musste Ellys eines haben, denn er besaß sonst keinen Festnetzanschluss. Ratlos schaute Ondragon hinauf zur Zimmerdecke. Ob es noch einen Dachboden in diesem Haus gab?
Er ging hinüber in den Flur und fand die Luke. Mit der dafür vorgesehenen Stange öffnete er sie, klappte die Leiter nach unten und stieg in das staubige Refugium der vergessenen Dinge hinauf. Leise knarrten die Dielen unter seinen Sohlen, während er die Kisten und Plastiksäcke auf dem niedrigen Dachboden durchsuchte. Aber auch hier kam ihm nichts Ungewöhnliches unter die Finger. Unzufrieden stieg Ondragon wieder hinab und stand eine Weile auf seiner Lippe kauend im Flur.
„Wo hast du’s versteckt?“ Er dachte nach. Ellys war ein Mailman. Und ein solcher besaß ein ganzes Arsenal an Waffen und einschlägiger Ausrüstung, die ein Cop als illegal bezeichnen würde. Die Polizei hatte aber keine Waffen gefunden, nicht einmal die Pistole unter dem Tisch, und der Springer hatte ihm gegenüber auch nichts von einem Versteck oder Tresor erwähnt, was immerhin ein gutes Licht auf Ellys warf, der sein Equipment gewissenhaft versteckt hatte. Denn üblicherweise sollte im normalen Leben der Personen, die für DeForce Deliveries arbeiteten, nichts darauf hindeuten, dass sie einen etwas „ungewöhnlicheren“ Job machten.
Bleibt nur noch die Garage, dachte Ondragon schlecht gelaunt. Sollte er womöglich hier rausgehen, ohne etwas Nennenswertes in Erfahrung gebracht zu haben? Hatte er umsonst im Müll eines anderen Menschen gewühlt?
„Verschwendete Zeit!“, schimpfte er gedämpft und überprüfte die Tür, von der aus man vom Flur in die Garage kam. Sie war mit ebenso vielen nagelneuen Sicherheitsschlössern versehen wie die Haus- und Verandatür. Wovor hatte ein unerschrockener Mailman wie Ellys solche Angst gehabt, dass er sich derartig verbarrikadierte? Ondragon öffnete ein Schloss nach dem anderen und spähte in die dunkle Garage, bereit, jederzeit seine Waffe zu ziehen.
Aber alles wirkte ruhig, und er schlüpfte hinein.
Tyler Ellys‘ dunkelblauer Pickup stand wie ein stummer, glänzender Riesenkäfer in dem geräumigen Anbau. Der Dodge war frisch gewaschen und offen. Ondragon stieg ein, sah im Handschuhfach und hinter den Sonnenblenden nach. Nada . Er durchwühlte die Seitenfächer. Viel Müll, ein Feuerzeug, ein Taschenmesser, eine schwere Maglite-Taschenlampe, sonst nichts.
Ondragon stieg aus und beugte sich mit dem Oberkörper wieder ins Wageninnere, um mit seiner Lampe unter die Sitze zu leuchten. Krümel,
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