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Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)

Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Strohmeyer
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schließlich ein gedämpftes Stöhnen und darauf ein „Wer ist da?“
    „Mr. O“, flüsterte Ondragon.
    Auf der anderen Seite ertönte das Klappern der Kette des Sicherheitsschlosses und die Tür öffnete sich. Ondragon trat an der großen, aber gebeugten Gestalt vorbei ins Zimmer, in dem er sich sofort umsah, aber nichts Besonderes entdeckte.
    Der Springerschloss die Tür, legte die Sicherheitskette wieder davor und schlurfte zum Bett, auf das er sich kraftlos fallen ließ. Er war nur mit einem Bademantel bekleidet und sah grauenhaft aus. Sein unrasiertes Gesicht hatte die graue Färbung von Leberwurst, die zu lange an der Luft gelegen hatte, und ein dünner Schweißfilm schimmerte auf den slawisch hohen Wangenknochen. Die dunklen Augen lagen gerötet in den Höhlen und offenbarten einen fiebrigen Glanz. Kaplan Bolič schien wirklich krank zu sein.
    Ondragon zog die kleine Papiertüte aus der Jackentasche und warf sie ihm zu. „Die Paracetamol.“
    „Danke.“ Bolič fing sie auf und holte mit zittrigen Fingern die Schachtel mit den Pillen heraus. Er nahm gleich zwei und spülte sie mit einem Glas Wasser runter. Danach legte er sich stöhnend zurück auf sein Kopfkissen und blickte Ondragon aufmerksam an. „Sie sind also der berühmt berüchtigte Mr. O! Bei DeForce gelten Sie noch immer als eine Art Held. Auch Spider spricht nur in höchsten Tönen von Ihnen.“
    Ondragon schwieg. Es war ihm unangenehm, dass die DeForce-Leute von ihm sprachen, als sei er eine verdammte Legende. Stattdessen versuchte er den Mann vor sich einzuschätzen. Gemäß Rods Angaben war Bolič gebürtiger Bosnier und hatte das Kriegshandwerk bereits mit zwölf Jahren erlernt, nachdem er 1995 dem Massaker von Srebrenica entkommen war. Danach kamen die Fremdenlegion und privater Personenschutz. Seit vier Jahren arbeitete er als sogenannter Springer für DeForce mit der Homebase Moskau. Springer waren jene Leute, die nicht zu der Stammbesetzung einer Crew gehörten. Sie waren freie Mitarbeiter, welche die Lücken füllten, die Stammleute hinterließen, wenn sie aus welchen Gründen auch immer ausfielen, oder ein Waffenarm mehr benötigt wurde. Springer arbeiteten weltweit, sie waren nicht auf ein bestimmtes Gebiet spezialisiert. Sie waren die Söldner bei DeForce, die Männer fürs Grobe. Echte Mercenarios. Bolič war zwar von einer Krankheit geschwächt, machte aber ansonsten nicht den Eindruck, besonders zimperlich zu sein. Unter seinem Bademantel verbarg sich ein bulliger, durchtrainierter Körper, der bestimmt die eine oder andere Narbe als Erinnerung trug.
    Genauso sehe ich unter meiner Kleidung auch aus, dachte Ondragon. Niemand ahnt, dass wir vom Kampf gezeichnete Männer sind, die bis zum Äußersten gehen würden, um ihr Ziel zu erreichen. Und er wusste, dass das Töten für jeden, der bei DeForce arbeitete, reiner Selbsterhaltungstrieb war. Bei einem Einsatz musste man zusehen, am Leben zu bleiben und die Fracht abzuliefern. Nichts anderes zählte. In diesem Grundsatz waren er und Bolič einander gleich.
    „Also gut, Kaplan …“
    „ Captain! “
    Ondragon sah ihn stirnrunzelnd an.
    „Nennen Sie mich Captain. Der Name gefällt mir besser.“ Er winkte mit der Hand, dass Ondragon fortfahren sollte.
    Dieser war bereits ziemlich genervt von den Allüren des Bosniers, setzte aber den angefangen Satz fort: „ Captain … am besten, Sie zeigen mir jetzt den Brief, den Sie in Tylers Ellys‘ Müll gefunden haben.“ Er zog sich einen Stuhl heran, während Bolič sich ächzend vorbeugte und in der Nachttischschublade herumkramte. Dabei versuchte Ondragon, nicht auf die obligatorische Bibel in der Schublade zu blicken. Seine tiefe Abneigung war nicht prinzipiell gegen das Religiöse gerichtet, vielmehr missfiel ihm das Buch als solches. Obwohl seine Phobie vor Büchern genau an dem Tag begonnen hatte, an dem er auch seinen Glauben an Gott verloren hatte, war die Abscheu gegen alles Gedruckte und zwischen zwei Buchdeckel Gebundene stärker als sein Zorn gegen Gott. Schließlich waren es die Tonnen von Büchern gewesen, die seinen Zwillingsbruder Per Gustav damals im Alter von zehn Jahren erschlagen hatten und nicht Gott.
    „ Ovdje molim , hier bitte, der Brief.“ Bolič hielt ihm eine durchsichtige Zipbag unter die Nase. Darin steckten ein zerknüllter und wieder geglätteter Briefbogen und ein Umschlag ohne Beschriftung.
    Ondragon, der sich gern aus seinen deprimierenden Gedanken um seinen toten Bruder reißen ließ, nahm die

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