Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
her. Als sei alles in dem Raum systematisch danach durchkämmt worden.
Ondragon überlegte und starrte dabei einen Riss in der Decke an. Die ganze Festplatte aus dem Computer auszubauen, würde zu lange dauern. Außerdem gab es im gesamten Laborbereich über ein Dutzend Rechner, und es war nicht klar, auf welchem sich die relevanten Daten verbargen.
Als er den Aktenschrank erneut durchforstete, fand er eine Mappe mit dem Firmenlogo und der Aufschrift DWIN 411-Crypt/ C-Class/ Lab III/ Hum. Exprmt. Er blätterte sie kurz durch, nahm seinen Rucksack ab und stopfte die Mappe und noch eine weitere, auf der Weedsweep II stand, hinein. Dann verließ er das Büro und begab sich nach nebenan in den Archiv-Raum, dessen rückwärtige Wand aus einem riesigen Apothekerschrank mit unzähligen Schubladen bestand. Auch hier standen einige der Schubfächer bereits offen. Es sah aus, als streckten sie ihm spöttisch die Zunge heraus und riefen: „Du kommst zu spät!“
Ondragon sah in die Fächer. Sie waren angefüllt mit kleinen durchsichtigen Tüten. Allerdings waren diese hier zugeschweißt, mit Klebeetiketten versehen und nach einem System geordnet. Auch hier dominierte die Bezeichnung DWIN 411-Crypt. Ondragon angelte drei der Tüten heraus und sah sie sich an. Rote und gelbe Maiskörner, immer zwölf an der Zahl, waren locker darin verpackt. Er steckte die Tüten in seine Tasche und sah auf die Uhr. Eineinhalb Stunden blieben ihm noch. Er hatte also ausreichend Zeit, die letzten beiden Räume zu untersuchen.
Als er die Kantine betrat, prallte er jählings zurück.
Der Raum glich eher einer Schlachthalle als einem Aufenthaltsraum.
An einer Wand befanden sich eine Spüle, ein umgekippter Kühlschrank und mehrere Schränke mit herausgefallenem und zerbrochenem Porzellan, und in der Mitte des Raumes war eine Reihe Tische mit Stühlen platziert. Ringsum zierten groteske Muster aus getrocknetem Blut die Wände, den Linoleumfußboden und das Mobiliar, sogar an der Decke waren Spritzer.
Das kalte Licht der Stirnlampe streifte die plumpen Körper von drei aufgedunsenen Leichen, die im Raum verstreut lagen. Angewidert verzog Ondragon das Gesicht und war heilfroh, durch seine Maske nichts riechen zu können. Er wandte sich nach rechts und betrachtete die erste Leiche einer Frau mit blonden Haaren, die direkt neben ihm mit geöffneten Augen und den Rücken an die Wand gelehnt dasaß, die Beine lang vor sich ausgestreckt. Haarsträhnen hingen ihr ins Gesicht, und ihre eingetrockneten, verdrehten Augäpfel glommen gelblich unter den langen, dunklen Wimpern. Die Zähne hatte sie zu einer unnatürlich breiten Grimasse gebleckt. Ein Eindruck, der nur deswegen entstand, weil sich die verdorrten Lippen bereits weit über die Zähne zurückgezogen hatten.
Ondragon trat näher an die Frau heran und sah, dass sich ihre Hände mit den lackierten Nägeln um einen Gegenstand gekrallt hatten, der in ihrer Brust steckte. Ein zartes Rinnsal aus eingetrocknetem Blut war unter ihren Händen hervorgesickert und hatte den Stoff ihrer Bluse rot gefärbt. Ein metallisch glänzender Skalpellgriff blitzte zwischen den Fingern hindurch. Das chirurgische Instrument musste ihr mit einem solch brutalen Stoß in die Brust gerammt worden sein, dass sie sofort tot gewesen war, denn sonst wäre mehr Blut aus der Wunde getreten.
Ondragon schoss zwei Bilder. Kalt erhellte der Blitz das totenstarre Gesicht der Frau.
Dann richtete er sich wieder auf und blickte auf die zwei weiteren Leichen, die mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lagen, als seien sie in kopfloser Flucht übereinander gestolpert. Auf ihren schneeweißen Laborkitteln waren große braune Rosetten erblüht wie Kaffeeflecken auf einer Tischdecke am Kuchenbuffet. Den dicken, weißlichen Hals des obenauf liegenden Mannes zierte eine schwarzgeränderte Wunde. Es sah beinahe so aus, als hätte ihm jemand ein Stück Fleisch aus dem Hals gerissen. Eine große dunkle Lache hatte sich unter ihm und auf dem anderen Mann gebildet. Vermutlich war seine Halsschlagader zerfetzt worden.
Ondragon machte auch von dem grausigen Paar ein Foto. Der Blitz zuckte einmal über ihre Körper. Zweimal. Plötzlich erstarrte er. Was war das?
Im Licht des Blitzes war ihm etwas aufgefallen, das er zuvor nicht wahrgenommen hatte. Er leuchtete mit der Lampe dorthin. Spuren nackter Füße führten von der großen Blutlache fort.
Ondragons Nackenhärchen stellten sich auf, als er auf den Hacken herumfuhr und mit der Lampe den
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