Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
gewann.
„Ganz einfach. Ich werde sie tragen!“, sagte die Madame schließlich.
Ah, ja? Ondragon starrte sie weiterhin an. Auch er wich nicht aus ihrer Blicklinie. So etwas konnte er ganz lässig über einige Stunden aushalten.
Die Madame machte jedoch keine Anstalten, nachzugeben. Mühelos hielt sie seinem messerscharfen Laserblick stand. Mehr noch als das. Sie schoss tapfer mit glühenden Feuerlanzen zurück und dabei schien sie beseelt von geisterhafter Energie. Übersinnlicher Energie. Voodoo-Magie.
Nach einer Weile kam es Ondragon so vor, als hielten sie sich beide gegenseitig mit ihren Traktorstrahlen gefangen. Heiß wie flüssiges Plasma kribbelte es in seinem Bauch. Es zog sich zusammen, pulsierte strahlenförmig auseinander und verformte sich erneut. So als bilde sich in seinem Innern etwas Neues, als wäre er Zeuge einer Art Evolution, die in diesem Augenblick mit ihm stattfand. Doch in was würde er sich verwandeln?
Das Plasma begann zu glühen.
Plötzlich schob sich etwas Dunkles in sein Blickfeld, das ganz erfüllt war vom glosenden Schein einer Supernova.
„Nein, nein, Leute. Beruhigt euch. Ich glaube, ich habe da eine bessere Idee!“ Wie der Kernschatten eines Planeten schob sich Rod in den grellen Strahl aus Energie und durchtrennte die magisch knisternde Verbindung dieses Duells.
Die Korona erlosch. Das Plasma kühlte ab. Und schlagartig verließ Ondragon das Kribbeln, das seine Leibesmitte erhitzt hatte. Auch die Madame schien enttäuscht. Ihre Voodoo-Augen hatten den elektrisierenden Glanz verloren und blickten beinahe erschöpft zu Boden.
„He? Habt ihr mich verstanden? Träumt ihr?“ Rod schnippte mit den Fingern vor Ondragons Nase. „Ecks, ich hab eine prima Idee. Ich werde die Kleine tragen. Sie wiegt kaum mehr als ein Kleidersack und ist dünn wie ein Zweig. Ich schneide zwei Löcher in den Boden meines Rucksacks, und wir setzen sie hinein. So kann ich sie bequem auf dem Rücken tragen. Ihr beide müsst nur den Teil meiner Ausrüstung übernehmen. Und? Was sagt ihr dazu?“
Ondragon drehte blinzelnd den Kopf und sah den Schatten seines Freundes an. Er war das schwarze Tuch, das den Zaubertrick wieder bedeckt hatte, bevor die Magie daraus hatte ans Tageslicht treten können. Er hatte es verhindert.
Was verhindert?
Dass die Magie von ihm Besitz ergriff? Dass er kurz davor gewesen war, sich zu verwandeln? Etwas zu spüren, das er noch nie zuvor gespürt hatte?
„Das ist eine gute Idee“, sagte er matt und wandte sich ab. Mit Beinen wie aus nassem Sand wankte er auf die Spitze des Schuttkegels hinauf. Und während er wie betäubt zum mystisch dunklen Wald hinüberblickte, kamen ganz allmählich seine Sinne wieder. Er hörte die Vögel im dichten Grün zwitschern, fühlte das feuchte Gewicht der tropischen Luft auf seinen Lungen und die harten Steine unter seinen Stiefeln. Auch seine geblendeten Augen erholten sich und nahmen die Welt nicht mehr wie auf einem überbelichteten Foto wahr.
Magie …
Er schüttelte die Reste dieses Gefühls ab, das fremdartig und besitzergreifend war, und drehte sich zu seinen Begleitern um, die derweil das Mädchen in den Rucksack verfrachtet hatten. Die Madame half Rod dabei, sich das Kind auf den Rücken zu schnallen. Es schlief tief und fest unter der Betäubung aus Schmerzmitteln, und ihr Kopf mit den zerzausten kleinen Zöpfen pendelte kraftlos hin und her.
Der Brite lächelte. „Leicht wie eine Feder.“ Er hakte die Daumen hinter die Tragriemen und zwinkerte ihm zu. „Können wir jetzt los?“
Ondragon nickte und setzte sich wie selbstverständlich an die Spitze der Gruppe. Obwohl ihn der Wald auf der Ebene zu seiner Rechten aus einem unerklärlichen Grund magisch anzog, entschied er, am kahlen Hang zu der Passage und über den Grat zurückzuwandern.
„Hat sich übrigens der Heuler noch mal gemeldet, als ich unten in der Mine war?“, erkundigte er sich mit einer Zunge, die sich wie ein Schwamm anfühlte und ihm nicht so recht gehorchen wollte.
„Er hat noch einmal ein Mordsgebrüll veranstaltet, sich aber nicht blicken lassen“, antwortete Rod hinter ihm.
„Hm. Auch wenn ich kaum glaube, dass er uns hier auf offenem Terrain folgen wird, sollten wir trotzdem aufmerksam sein.“
„ Aye! “, ächzte Rod. Seine Last schien wohl doch nicht so federleicht zu sein, wie er zuvor behauptet hatte.
Ondragon verkniff sich einen schadenfrohen Kommentar und stieg immer weiter den steinigen Hang hinauf. Über ihren Köpfen schickte die
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