Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
probiert“, sagte er daraufhin. „Damals war ich achtzehn und auf der Suche nah dem letzten Thrill. In Japan heißt es: ‚Wer Fugu isst, ist dumm. Wer aber keinen Fugu isst, ist auch dumm.’ Zum Glück war ich an einen guten Fugu-Koch geraten. Bei mir hat lediglich die Zunge gekribbelt, und meine Nasenspitze, Lippen und Finger sind taub geworden. Danach habe ich das Zeug nicht mehr angerührt.“
„Alle Achtung! Und ich dachte immer, ich wäre verrückt. Aber ich hätte mich das nicht getraut. Mit dem Zeug ist nämlich nicht zu spaßen. Es gibt Berichte von Leuten, die eine Fugu-Vergiftung hatten und am ganzen Körper gelähmt waren. Ihr Herzschlag und ihr Atem waren so schwach, dass sie für tot erklärt wurden. Nur leider waren diese Personen noch bei vollem Bewusstsein, und sie haben mitbekommen, wie ihre Angehörigen um sie getrauert haben. Einige haben sogar schon im Sarg gelegen, bevor sie sich wieder verständlich machen konnten. Und keiner weiß, wie hoch die Dunkelziffer von denjenigen ist, die tatsächlich lebendig begraben worden sind.“
Tetrodotoxin, dachte Ondragon, gelähmt bei vollem Bewusstsein – eindeutig die Vorstufe zur Zombiekarriere. Das wäre schon mal eine Erklärung für den Scheintot von Bolič und Stern. „Und, was hast du noch gefunden?“, fragte er den Chemiker.
„Bufotenin, ein halluzinogenes Tryptamin-Alkaloid. Wirkt ähnlich wie das Halluzinogen der Magic Mushrooms. Man bekommt optische Wahnvorstellungen und Verwirrungszustände. Bufotenin befindet sich im Hautsekret der Aga-Kröte, Bufo marinus, die auf dem amerikanischen Kontinent und den Antillen beheimatet ist. Desweiteren habe ich noch Spuren von Serotonin, Histamin und Acetylcholin gefunden. Alles Neurotransmitter.“
„Welche vermutlich die Aufnahme beziehungsweise die Weiterleitung der Toxine im Körper beschleunigen sollen.“
„Könnte man so sagen.“
„Sonst noch etwas?“
„Jede Menge organisches Material von Pflanzen oder Tieren. Das zu entschlüsseln, würde jedoch Wochen dauern“, sagte Strangelove entschuldigend.
„Hm, okay.“ Ondragon dachte nach. „Und was hältst du als Wissenschaftler von diesem Pulver?“
„Tja, wenn es sich so verhält, wie ich denke, dann wurden diese Zutaten bewusst zusammengemischt, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Welchen, das kann ich nur mutmaßen. Zu Beginn, als Sie mir die Probe schickten, sagten Sie, es sei Zombiegift, und haben herzlich darüber gelacht. Nun, das hat mich neugierig gemacht. Ich habe mich mal durch die Informationen gewühlt, welche die Fachliteratur darüber bereithält, und herausgefunden …“
„Es gibt erstzunehmende Fachliteratur über Zombiegift?“
„Aber ja. Anfang der Siebziger hat sich ein amerikanischer Ethnobotaniker namens Wade Davis damit beschäftigt und ein Buch darüber verfasst, das ganz plausibel beschreibt, was es mit dem Zombiephänomen auf sich hat und natürlich auch mit den dafür notwendigen Giften. Ich kann es kurz für Sie zusammenfassen, wenn es Sie interessiert.“
Natürlich interessierte es ihn. Brennend sogar. „Nur zu“, sagte Ondragon, ohne sich seine Ungeduld anmerken zu lassen. Endlich gab es eine rationale Erklärung für diesen mystischen Hokuspokus! Endlich kam Licht in das Geheimnis um die wandelnden Toten!
„Also gut“, sprach Strangelove weiter, „in seinem Buch The Serpent and the Rainbow beschreibt Wade Davis, dass das Zombiegift in Haiti dazu dient, Menschen in einen scheintoten, komaähnlichen Zustand zu versetzen, jedoch bei vollem Bewusstsein. Das ist Teil einer Strafe, die dem Opfer auferlegt wurde, denn zombiefiziert werden vorwiegend Männer und Frauen, die in ihrer Dorfgemeinschaft gegen die sieben Gebote verstoßen haben, die so ähnlich sind wie die christlichen Zehn Gebote. Verurteilt wird das Opfer von der Geheimgesellschaft, die es in jedem Dorf gibt, den Shanpwel.“
Ah, Moment, dachte Ondragon. Das hatte er schon mal aus dem Mund der Madame vernommen. Sie hatte Rod erzählt, dass sie ein Mitglied dieser Shanpwel sei. Sie hatte also die Macht, Menschen zu verurteilen und sie zu Zombies zu machen.
Strangelove erzählte weiter: „Der Vorgang der Zombiefizierung läuft beinahe streng rituell ab. Das Opfer bekommt vorweg eine Warnung, damit es schon mal in Angst und Schrecken gerät. Dann wird ihm das Gift angetragen, zumeist als Pulver, das es durch die Haut aufnimmt. Dazu wird es auf seine Türschwelle gestreut. Die Glassplitter in dem Pulver verletzen seine
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