Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
mehr derselbe ist.“
„Was für ein Voodoo-Mumpitz!“
„Kein Mumpitz, es ist eine Strafe, eine Art gesellschaftliche Ächtung. Als Zombie bist du zwar noch am Leben, für deine Verwandten, für dein Dorf aber bist du gestorben. Sinnbildlicher geht es nicht. Auch das Giftpulver ist alles andere als Hokuspokus. Das ist echt und teuflisch gefährlich, mindestens genauso tödlich wie Anthrax. Das kann nur ein sehr erfahrener Giftmischer zusammenmixen, denn tierische wie pflanzliche Produkte unterliegen stets hohen Schwankungen, was ihre Inhaltsstoffe anbelangt. Sie sind schwer zu dosieren, wie das Beispiel mit dem Fugu zeigt.“
„Ein erfahrener Giftmischer also“, wiederholte Ondragon nachdenklich. Ein erfahrener Giftmischer auf der Lohnliste von Darwin Inc.? Wer konnte das sein? Doch nur ein Voodoo-Priester … oder eine Priesterin.
„Mr. Ondragon, hören Sie mir noch zu?“ Strangeloves Stimme drang in seine Gedanken wie ein Eisbrecher.
„Äh, nein. ‘Tschuldigung. Was hattest du nochmal gesagt?“
„Ob ich die DNA der anderen Bestandteile des Pulvers noch analysieren soll?“
„Nein. Aber vielen Dank für die kleine Zombiekunde. War sehr hilfreich!“
„Gern geschehen, Mr. Ondragon. Sie melden sich, wenn Sie wieder einen Auftrag für mich haben?“
„Klar.“ Ondragon legte auf und saß eine Weile tief in Gedanken versunken da.
Dann wählte er die Nummer von Rudee, seinem thailändischen Computerspezialisten aus Bangkok.
„ Sabai dee mai , Paul“, meldete dieser sich mit seiner ewig fröhlichen Stimme.
„ Sabai dee , Rudee. Hast du die Informationen?“
„Noch nicht. In Haiti gerade großes Chaos. Nicht leicht, den richtigen Rechner zu finden. Aber ich dranbleiben. Keine Sorge, ich bekommen Information! Ich Genie!“ Ondragon hörte den kleinen Thai kichern.
„Na klar“, sagte er schmunzelnd, „wenn einer drankommt, dann du, Rudee!“
„Ich dir schicken Mail, wenn ich sie haben.“
„ Kap khun khrap – vielen Dank.“
„Nichts zu danken, Paul. Bye bye! “
Ondragon legte auf und sah auf das Handy. Da war noch immer diese unbekannte Nummer. Er drückte kurzentschlossen auf die Rückruftaste. Es klingelte, aber niemand ging dran, nicht einmal eine Mailbox.
Schulterzuckend steckte er das Telefon weg, erhob sich vom Bett und verließ den Raum. Als er vor der Tür seines Freundes stand, drang von unten ein lautes Lachen an seine Ohren. Es klang nach Rod und der Madame. Dann war er also schon wach. Aber warum hatte er ihn nicht geweckt?
Ondragon ging über die Galerie, blieb aber an der Tür zum Zimmer des Mädchens stehen und warf einen kurzen Blick hinein. Christine lag unter einer dicken Schicht Decken im Bett, von wo aus sich durchsichtige Schläuche zu einem Infusionsständer schlängelten, an denen mit verschiedenen Flüssigkeiten gefüllte Beutel hingen. Offensichtlich hatte der Doktor das Mädchen an den Tropf gelegt. In dem Schatten neben dem Bett gewahrte Ondragon eine Frau auf einem Stuhl. Sie sah ihn an. Es war Nathalie. Ihre Augen leuchteten hell aus ihrem dunklen Gesicht, aber ihr Blick war nicht zu deuten. Ondragon nickte ihr zu und schloss die Tür wieder.
Ohne Eile stieg er die breite Treppe nach unten, durchquerte den Salon und trat durch die Tür, die er für den Zugang zur Küche hielt. Tatsächlich tat sich dahinter ein großer Raum mit hoher Decke und einer Einrichtung wie vor hundert Jahren auf. Ein riesiger gusseiserner Herd stand in der Mitte auf dem rot-weiß gefliesten Boden, und darüber hingen wie in einem Museum Kupferpfannen und andere Küchenutensilien. Und als sei der Südstaaten-Atmosphäre noch nicht Genüge getan, stand eine füllige, schwarze Frau mit weißer Schürze und Kopftuch an der Kochstelle und rührte fröhlich in einem dampfenden Topf.
Gegenüber dem Herd thronte ein wahrer Koloss von einem Eichentisch. Daran saßen, heiter ins Gespräch vertieft, Rod und die Madame, vor sich noch unbenutzte Teller. Sie sahen auf, als sie ihn bemerkten.
„Ah, Ecks. Komm, setz dich zu uns. Camille, die gute Seele, zaubert uns gerade eine Creole Gumbo nach ihrem Spezialrezept!“ Er rieb sich den Bauch. „Hab schon mächtig Hunger.“
Ondragon folgte der Einladung und ließ sich auf einem der massiven Stühle nieder. Dabei konnte er sich der Verführungskraft des vom Herd herüberziehenden Duftes nicht erwehren, der auch ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Betont lässig lehnte er sich zurück, um einen entspannten Eindruck zu erwecken.
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