Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
Motel.“
„ Hai , Paul- san, mach ich sofort. Und wie läuft‘s?“ Ondragon liebte ihren japanisch-brasilianischen Akzent.
„Naja, nicht besonders.“ Charlize gegenüber war er stets ehrlich, denn er wusste, dass er sich auf sie verlassen konnte. Nicht zuletzt, weil sie ihn schon oft aus so manch brenzliger Situation gerettet hatte. „Gibt es sonst noch etwas, Charlize?“
„Nein, alles ruhig. Dietmar ist im Irak und Achille in Algerien. Die Aufträge laufen nach Plan.“Gut, dachte Ondragon. Er war froh, dass er solch hervorragende Leute wie Dietmar Hegenbarth und Achille „die französische Geheimwaffe“ Mercier bei Ondragon Consulting beschäftigte. Das waren zwei seiner insgesamt vier Angestellten – die freien Mitarbeiter nicht mit eingerechnet. „Na, dann mach ich mich jetzt wieder auf die Jagd nach dem weißen Kaninchen.“
Charlize kicherte. „Viel Glück dabei, Chef.“
Viel Glück! Ondragon legte auf. Wie oft hatte er das in den letzten Tagen schon gehört? Er sah auf die Uhr. Keine Chance, in Dubai war es gerade mitten in der Nacht. Und so dringend war die Angelegenheit auch wieder nicht, dass er Rod dafür aus dem Bett holen musste. Also versuchte er es bei Bolič. Nichts.
Jetzt reicht es! Ich gehe hin!
Ondragon riss seine Reisetasche auf und legte seine Verkleidung als Businessmann an: feiner Anzug, Krawatte, Aktenkoffer, Ray-Ban .
Zwanzig Minuten später erreichte er zu Fuß das Hotel Arizona. Den Überwachungskameras wich er aus, indem er seinen Kopf ständig gesenkt hielt und so tat, als sei er mit seinem Smartphone beschäftig. Oben im fünften Stock klopfte er an die Nr. 506, doch nichts rührte sich. „He, Bolič, machen Sie auf. Hier ist Mr. O!“, rief er gedämpft gegen die Tür. „Verdammt, Mann, öffnen Sie die Tür!“ Aber es blieb noch immer still in dem Zimmer.
Ondragon holte sein Dietrichset hervor und öffnete das Schloss. Zum Glück war die Sicherheitskette nicht davorgelegt. Ein muffig säuerlicher Luftschwall kam ihm entgegen. Schnell trat er ein und schloss die Tür. Als er sich umdrehte, sah er Bolič. Er lag auf dem Bett unter der Decke und schlief.
„He, Bolič! Wachen Sie auf. Sie können später weiterschlafen. Ich muss etwas Wichtiges mit Ihnen besprechen!“
Bolič rührte sich nicht. Ondragon trat an das Bett und rüttelte an der Schulter des Springers. Aber Boličs Augen blieben geschlossen. Ondragon runzelte die Stirn und legte einen Finger auf den muskulösen Hals des Bosniers. Kein Puls. Er hob ein Lid an, aber das braune Auge starrte ihn nur ausdruckslos und ohne Pupillenreflex an. Kein Zweifel, der Springer war tot!
Ondragon zog die Decke zurück und betrachtete Bolič, der zusammengekauert wie ein Embryo dalag. Er trug lediglich Boxershorts. Die bleiche Haut war an einigen Stellen gerötet, zeigte ansonsten aber keinerlei Anzeichen von Gewalteinwirkung. Auch Boličs Gesicht war aschfahl mit einem seltsam entspannten Ausdruck. In einem Anfall von plötzlicher Erkenntnis trat Ondragon vom Bett zurück und schlug zum Schutz seine Krawatte vor Mund und Nase.
Panik erfasste ihn. War Bolič am Milzbrand gestorben? Er selbst hatte den Brief ja auch angefasst. Scheiße! Hektisch sah er sich um. Er musste hier raus! Doch vorher war es klüger, alle Spuren, die zu ihm selbst führten, zu beseitigen. Er suchte Handy und Waffe des Bosniers und steckte beides ein. Dabei fand er einen Laptop in dessen Tasche und nahm ihn ebenfalls an sich. Auch zu DeForce musste jede Verbindung gekappt werden, den Gefallen war er Roderick schuldig. Nachdem Ondragon alles durchwühlt hatte, öffnete er die Tür zum Flur, spähte hinaus und floh in gemäßigtem Tempo aus dem Hotel hinaus auf die Straße, wo er tief durchatmete.
Endlich frische, keimfreie Luft!
Er sah hinauf in den grellblauen Wüstenhimmel über der Stadt. Um sich zu beruhigen, zählte er auf Japanisch bis Zehn, wie er es von seinen Kampfsportübungen gewohnt war: ichi, ni, san, shi, go, roku, shichi, hachi, kyu … ju …
Ganz ruhig, Paul. Noch ist nichts bewiesen. Heute Abend weißt du mehr. Also, reiß dich zusammen. Er setzte sich in Bewegung und begab sich unauffällig zurück ins Hotel. Der Tod von Bolič würde erst morgen früh entdeckt werden, wenn der Zimmerservice kam. Bis dahin hatte er genügend Zeit, aus Tucson zu verschwinden.
Nachdem er lange und heiß geduscht hatte, setzte er sich auf das Bett und wählte Rods Nummer. Egal, wie spät es gerade bei ihm war, jetzt war es wichtig!
„
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