Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
waren noch andere Alligatoren aus der Umgebung angelockt worden. Ondragon wurde blass. Schöner Mist! Das war gründlich nach hinten losgegangen. Jetzt saß er endgültig hier fest!
12. Kapitel
das Dorf Nan Margot, Süd-Haiti
Gewissenhaft packte die Mambo alle nötigen Dinge in ihre Umhängetasche aus geflochtenem Stroh. Christine beobachtete sie dabei. Das Gesicht der Priesterin war ernst, genau wie das ihrer Mutter, die neben ihr stand und ebenfalls zusah.
Die Vorbereitungen für die Expedition behagten allen Beteiligten nicht besonders. Dennoch war sie von dringlicher Wichtigkeit. Etienne Dadou, Christines Vater, irrte irgendwo dort oben durch die Berge, von einem Bokor mit einem Zombiefluch belegt!
Christines Mutter hatte die Mambo angefleht, sie möge Etienne retten, sofern dies überhaupt noch möglich war. Weit wahrscheinlicher war es hingegen, so hatte die Priesterin erklärt, dass er sich bereits viel zu lange in diesem Zustand befand und sein Geist unheilbar zerrüttet war. Aber auch in diesem Falle war es Cécile Dadous Wunsch, ihren Mann zu finden und … zu erlösen. Und am besten wäre es, wenn sie bei ihrer Suche auch noch auf den Schwarzmagier stießen, der Etienne Dadou das angetan hatte. Die Mambo hatte dem Kerl bereits die Auszehrung angehext, und sie versprach, sie würde ihn finden und sich um ihn kümmern.
Mittlerweile war die Priesterin mit dem Einpacken fertig. Von einer ihrer Hunsi nahm sie eine Schüssel mit dem Blut eines Huhns entgegen, das zuvor bei einer Zeremonie geopfert worden war, und malte jedem Teilnehmer der Expedition ein gleichschenkliges Kreuz auf die Stirn. Dabei sprach sie feierlich die Worte: „Sankt Expedit, Schutzherr aller Expeditionen, ich bitte dich, finde für uns heraus, wo sich Etienne Dadou versteckt, damit wir den bösen Fluch brechen können, den der heimtückische Bokor auf ihn gelegt hat. Heiliger Expedit, lasse alle Toten aus ihren Gräbern fahren und schicke sie gegen den Bokor, damit sein Körper von innen her verzehrt werde und selbst ins Grab fahre.“
Christine wusste, dass die Mambo auch die dunklen Gèdès um Zustimmung gebeten hatte. Dafür war die Priesterin vergangene Nacht auf den Friedhof gegangen und hatte dort mit der Machete drei Mal gegen ein steinernes Kreuz geschlagen, das Zeichen des Baron Samedi. Mit einem Opfer von zwei schwarzen Hühnern hatte sie den Herrn der Friedhöfe um Einwilligung für ihre Expedition gebeten und war mit einer Handvoll Friedhofserde in den Tempel zurückgekehrt. Diese bewahrte sie nun in einem kleinen Beutel auf, der an ihrem Gürtel baumelte. Die Erde würde sie dem Schwarzmagier in den Mund stopfen, um ihn und seine böse Zunge endgültig zum Schweigen zu bringen.
Auch Christine wollte, dass der Bokor für seine bösartigen Taten bestraft wurde, aber noch viel mehr wünschte sie sich, ihr Vater könne gerettet werden. Ihre Hoffnung war allerdings sehr gering, denn schließlich hatte sie als Einzige mit eigenen Augen ansehen müssen, wie der Zombie, der ihr Vater war, sich selbst auf fürchterliche Weise den Kiefer ausgerenkt hatte. Ein Zombie konnte so etwas überleben, aber ein Mensch …?
Die Priesterin schulterte die Tasche, verabschiedete sich von ihrem Zeremonienmeister und den Hunsi und bedeutete der kleinen Gruppe, zu der auch zwei junge Männer des Dorfes zählten, ihr zu folgen. Sie verließen das Dorf, gingen am Friedhof vorbei und begannen den Aufstieg in die Berge. Nur wenige Bäume säumten den steilen Weg hinauf in die Kalkformationen und spendeten Schatten. Keine Wolke war am Himmel, und bald glänzten die Gesichter der Expeditionsteilnehmer vor Anstrengung. Im Gänsemarsch stiegen sie den immer schmaler werdenden Pfad hinauf, dessen Serpentinen sich am kargen, staubigen Berghang festzuklammern schienen. Keiner sprach ein Wort, jeder behielt seine Angst für sich. Denn es konnte ja sein, dass der Bokor hinter einem Felsen lauerte und einem von ihnen aus der Ferne etwas anhexte.
Eineinhalb Stunden dauerte der Aufstieg zum Kamm. Dahinter tat sich der Blick über den kargen Canyon des Ti Rivière de Jacmel auf, der in der Trockenzeit nur wenig Wasser führte und nach Osten zum Meer hin floss. Bläulich schimmerte in der Ferne der gezackte Horizont des Bergmassivs. Die einzelnen Spitzen waren nicht besonders hoch, teilweise aber sehr schroff. Irgendwo dort draußen hielt sich der Bokor versteckt und kontrollierte mit seinem Bann den Zombie, der einst Etienne Dadou gewesen war.
Die
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